Schluß mit Cordjacken und langen Haaren

Von ihrer Radikalität nahmen die spanischen Sozialisten schon bald nach ihrer Regierungsübernahme Abschied  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Als Franco starb, waren Spaniens Sozialisten im Lande weitgehend unbekannt. Zwar hatten einige ihrer Mitglieder ein paar Jahre im Exil verbringen müssen, jedoch war die Wucht des frankistischen Repressionsapparats wesentlich stärker auf die Kommunisten heruntergegangen, die den Widerstand gegen die Diktatur angeführt hatten. Doch die Popularität der Sozialisten stieg in den Jahren des Übergangs zur Demokratie rasant; 1982 kam die „Spanische Sozialistische Arbeiterpartei“ (PSOE) mit einer überwältigenden Mehrheit an die Regierung.

Für diesen raschen Aufstieg gibt es mehrere Gründe. Auf einem außerordentlichen Parteikongreß im Herbst 1979 hatte der junge Sevillaner Anwalt Felipe Gonzalez mit seiner moderaten, sozialdemokratischen Linie gesiegt, auch wenn „sozialistisch“ bis heute weiter im Parteinamen prangt. Der Marxismus wurde auf den Misthaufen der Geschichte geworfen. Die junge Riege, die da mit langen Haaren, Cordjacken und andalusischem Akzent antrat, war kein Opfer des Bürgerkriegs — man konnte auf einen Neuanfang hoffen.

Daß sie die Wahlen gewannen, war so ein Resultat der Mäßigung einerseits, andererseits ein deutliches Votum der Wähler nach links. Die Sozialisten versprachen ein Verstaatlichungsprogramm, den Austritt Spaniens aus der Nato und soziale Gerechtigkeit. Künstler und Literaten, Journalisten und Schriftsteller gaben ihnen ihre Unterstützung: Die PSOE war die Partei der Jungen, der Zukunft, des modernen Sozialismus.

Die Sozialisten krempelten sofort die Ärmel hoch. Weniger als ein Jahr nach ihrer Regierungsübernahme wurde die Rumasa-Holding, das riesige Unternehmen des Opus-Dei- Mitglieds Jose-Maria Ruiz-Mateus, nationalisiert, in Funk und Fernsehen wurde junges, den Sozialisten nahestehendes Personal eingestellt, die Tageszeitung 'El Pais‘ leistete kräftig Schützenhilfe. Gleichzeitig bildete sich jedoch langsam eine Spaltung zwischen dem linksradikalen Duktus und dem Handeln der Regierung heraus. Den Austritt Spaniens aus der Nato, der Schlager für die Wahlen, bereitete den Sozialisten immer mehr Kopfzerbrechen. Nachdem sie jahrlang die versprochene Volksabstimmung über das Thema herausgezögert hatten, hielten sie sie schließlich 1986 ab — freilich unter umgekehrten Vorzeichen. Spanien müsse in der Nato bleiben, forderte Premier Felipe Gonzalez und drohte verhohlen mit Rücktritt.

Seit dem „Verrat“ der Sozialisten in der Nato-Frage hat sich vieles geändert. Rumasa wurde wieder privatisiert (wobei angeblich der PSOE nahestehende Persönlichkeiten davon profitierten). Die Wirtschaftspolitik der Sozialisten hat dem ausländischen Kapital Tür und Tor geöffnet, die Hochzinspolitik hat die Spekulanten angezogen. Statt im vom Großgrundeigentum gekennzeichneten Andalusien und der Extremadura eine Landreform durchzuführen, wurden den Tagelöhnern Arbeitslosengelder zugesprochen, die sie zu dankbaren Almosenempfängern macht und ihre Wählerstimme sichert. Die öffentlichen Bereiche wie Verkehr, Erziehung oder Gesundheitswesen funktionieren schlechter denn je — Grund genug für die Sozialistische Partei, auf deren Privatisierung zuzusteuern. Die Durchsetzung der öffentlichen Institutionen und die skrupellose Besetzung politischer Posten mit Sozialisten und ihren Freunden hat zu einer undurchdringlichen Mafia geführt, die wie eine Krake nicht nur alles kontrolliert, sondern, wie inzwischen zunehmend bekannt wird, auch persönlicher Bereicherung Tür und Tor öffnet. Vor einigen Monaten stolperte Vizepräsident Alfonso Guerra über die Machenschaften seines Bruders, der im Schatten der Macht zu erheblichem Reichtum gelangt war.

Gemeinsam mit ihrer Politik hat sich auch das Outfit der Sozialisten geändert. Lange Haare wurden geschoren, Cordjacken mit schwarzen Anzügen vertauscht, und während viele Abgeordnete früher im Parlament Joints rauchten, wird heute über ein Verbot öffentlichen Drogenkonsums nachgedacht. Der linke Duktus wird nur noch bei Wahlen aus dem Ärmel gezogen, wenn plötzlich wieder von Klassengesellschaft und Ausgebeuteten die Rede ist. Gewählt werden sie noch immer, auch wenn bei den letzten Wahlen vor zwei Jahren die absolute Mehrheit verlorenging. Es ist die Wahl des kleineren Übels angesichts einer Rechten, die ihren Platz in der Demokratie noch immer nicht gefunden hat, und des Mangels anderer Gruppen auf der Linken, die realisierbare Konzepte auszuweisen haben.