: Asylstreit hält weiter an
■ Amnesty warnt vor „kurzem Prozeß“/ SPD uneins/ CSU: Nicht jeder DVU-Wähler ist rechtsradikal/ Anerkennungsquote bei 7,5 Prozent
Berlin (ap/dpa/taz) — Nach dem Debakel der SPD bei der Bremer Bürgerschaftswahl schließt der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernrath eine Änderung des Grundrechts auf Asyl nicht mehr aus. Zunächst, sagte er, gelte es, die bereits beschlosse Beschleunigung der Asylverfahren durchzusetzten. Sollte dies zu keiner „Besserung“ führen, müsse über eine Verfassungsänderung nachgedacht werden. Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder (SPD) beteuerte dagegen, seine Partei werde von ihrer Position nicht abweichen. Eine Grundgesetzänderung löse keine Probleme — er werde diese Position auch vertreten, wenn dies mit Stimmenverlusten bei der Kommunalwahl in Niedersachsen am Sonntag verbunden sei.
Die CSU beharrte gestern weiter auf der Änderung des Asylgrundrechts. „Mit der Prüfung jedes Einzelfalls sind die Probleme nicht zu lösen“, bellte CSU-Generalsekretär Huber gestern. Eine Grundgesetzänderung stehe am Wochenende bei der gemeinsamen Sitzung des CDU- und CSU-Vorstands auf der Tagesordnung. Trotz der hohen Stimmenanteile der DVU in Bremen und ständiger Angriffe auf Ausländer sieht Huber keine „nationale oder rechtsradikale Welle“. Entschieden wandte er sich auch gegen den Vorschlag der SPD, die Zuwanderung von Aussiedlern mit einer Änderung des Grundgesetzes zu beenden.
Die Kirchen und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben alle Deutschen zum Schutz von Ausländern aufgerufen. Dazu gehöre, daß Bürger Wohnheime von Flüchtlingen und Aussiedlern notfalls rund um die Uhr bewachen, um die Polizei rechtzeitig zu alarmieren. Die Zahl der Asylbewerber ist im September nur um 460 Personen auf insgesamt 28.732 ausländische Flüchtlinge gestiegen. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen kam mit 10.668 Personen aus dem vom Bürgerkrieg heimgesuchten Jugoslawien. Nach Angaben aus dem Innenministerium sind 65,7 Prozent (18.888 Personen) aller Asylbewerber aus den Staaten Ost- und Südosteuropas gekommen. In den letzten neun Monaten haben insgesamt 169.785 Ausländer in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt, die Anerkennungsquote lag bei 7,5 Prozent.
Angesichts der Angriffe auf Ausländer in Ostdeutschland hat sich BKA-Präsident Zachert dafür ausgesprochen, vom derzeitigen Verteilerschlüssel für Asylbewerber abzurücken. Zachert führte Sicherheitsgründe an, betonte aber gleichzeitig, daß die Ausländerfeindlichkeit in den neuen Bundesländern nicht höher sei als in den alten.
Beschleunigte Asylverfahren dürfen nach Auffasssung der Menschenrechtsorganisation amnesty international nicht dazu führen, daß mit Menschen „kurzer Prozeß“ gemacht wird. Vertreter der Organisation erklärten, die Vorschläge zur Ergänzung des Grundgesetzes liefen auf die Abschaffung des bestehenden Individualanspruchs auf inhaltliche Überprüfung eines Asylbegehrens hinaus. Die von Bundesinnenminister Schäuble aufgestellte Behauptung sei falsch, daß politisch Verfolgte bei den Asylsuchenden nur marginale Bedeutung hätten. Das Gegenteil sei richtig. wg
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