: Wenn zehn Frauen klagten...
■ ...wäre den rechtswidrigen Berufungen an der Humboldt-Universität endlich eine Schranke gestellt
Berlin. Die derzeitige Berufungspraxis an der Humboldt-Universität (HUB) widerspricht den Bestimmungen des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) und ist damit rechtswidrig. Der Wissenschaftssenator ist von Rechts wegen verpflichtet, die laufenden Verfahren zu revidieren. Frauen, die nicht berücksichtigt worden sind oder gar nicht erst zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden, haben die Möglichkeit, sich gerichtlich zur Wehr zu setzen. Zu diesen Ergebnissen kommt der Verwaltungs- und Arbeitsrechtsspezialist Walter Zimmerling in einem Gutachten über die Durchführung von Berufungsverfahren an der Humboldt-Universität.
Laut LADG muß die Hälfte der vorhandenen HochschullehrerInnen-Stellen an der HUB mit Frauen besetzt werden. In Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, müssen alle Bewerberinnen oder jedenfalls ebenso viele Frauen wie Männer zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Allen gegenläufigen Meinungen zum Trotz ist auch weiterhin »dieses Gesetz geltendes Recht«, betont das Gutachten.
Wenn die jetzt laufenden Berufungsverfahren nicht sofort gestoppt würden, »muß man Frauen an dieser Uni bald mit der Lupe suchen, vor allem als Professorinnen«, sagt Gisela Petruschka, Frauenbeauftragte der HUB. Schon im letzten halben Jahr sei der Frauenanteil unter den Lehrenden und Forschenden an der HUB um 50 Prozent zurückgegangen.
Die Berufungs- und Strukturkommissionen der fünf ehemals abzuwickelnden Fachbereiche haben bereits die Berufungslisten für die sogenannten Eckprofessuren fertiggestellt. Für die 47 zu besetzenden Stellen sind auf den jeweils drei Vorschläge enthaltenden Listen ganze sechs Frauen nominiert. Bewerbungen von Frauen gab es wesentlich mehr. Eine Sozialwissenschaftlerin beispielsweise, habilitiert, Inhaberin eines Lehrstuhls in der alten Bundesrepublik und mit exzellenter Reputation wurde nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Mann, der in der betreffenden Liste nun auf Platz eins steht, ist noch nicht einmal habilitiert. »Irgendwelche Gesetzesfeinheiten stehen gar nicht mehr zur Debatte«, sagt Christine Ferver, FU-Frauenbeauftragte.
Der Wissenschaftssenator, der die vorgeschlagenen WissenschaftlerInnen zu ernennen hat, kann in begründeten Fällen der Uni eine Berufungsliste zurückgeben. Wenn eine Liste unter Mißachtung des LADG zustande kommt, ist er »von Rechts wegen verpflichtet, die Berufungsliste an die Humboldt-Universität zurückzugeben«, so Zimmerling. 19 Rufe sind bisher ergangen, bei denen sich Erhardt an die Vorschläge der HUB gehalten hat. Nur in zwei Fällen in den Rechtswissenschaften erwägt er, »aus Qualitätsgründen« von der Listenplatznominierung abzuweichen. »Das sind rein zufällig auch noch Frauen«, sagt der Senator.
»Hier muß offensichtlich die Aufsichtsbehörde, in dem Fall Herr Erhardt persönlich, an Recht und Gesetz erinnert werden«, sagt Anne Klein, ehemalige AL-Frauensenatorin. Die Frauen haben aber auch selbst rechtliche Möglichkeiten. Wer nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, kann ein einstweiliges Anordnungsverfahren anstrengen. Jede auf den Listen nicht berücksichtigte Frau kann durch eine Konkurrentenklage verhindern, daß ein Mann aufgrund eines fehlerhaften Auswahlverfahrens zum Hochschullehrer ernannt wird. Kleins Prophezeiung: Wenn etwa zehn Frauen klagten, wäre der Erfolg sicher. cor
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