piwik no script img

Sehr geehrter regierender Bürgermeister Diepgen

SEHR GEEHRTER REGIERENDER BÜRGERMEISTER DIEPGEN!

Mit Freude haben wir vernommen, daß Sie als großer Held der Oktoberrevolution von 1989 und als Bezwinger des Sozialismus nun endlich auch die ruhmreiche Tat der Zerstörung des Lenin-Denkmals veranlassen wollen. Wir weisen darauf hin, daß die Vollendung dieses großen Werks nicht als kleinlicher, klammheimlicher Akt Friedrichshainer Lokalbürokraten abgewickelt werden sollte. Wir schlagen vor, ihm mit einer großartigen Zeremonie und einem populären Spektakel eine gebührende Würdigung zukommen zu lassen — ganz im Stil der Neuen Deutschen Zeit!

Lenin war schließlich ein Andersdenkender und als solcher noch nicht einmal Deutscher! Lenin war Ausländer!

Wir empfehlen:

—die Zeremonie einer Massenveranstaltung, bei der Lenin öffentlich bespuckt, geschlagen, mit Steinen und deutschen Brandflaschen beworfen werden kann.

Sie selbst könnten den Startschuß geben, indem Sie Lenin von einem Hebekran aus einen echten Pfälzer Saumagen ins Gesicht schleudern.

—Vorher empfiehlt es sich, daß Sie eine laufende Schallplattenaufnahme der Internationale mit Ihren eigenen Füßen zertreten — über Lautsprecher!

—Hierzu sollten Sie in jedem Fall die kampferprobten Helden aus Hoyerswerda einladen, die sich um die Verbreitung der Neuen Deutschen Politik in aller Welt verdient gemacht haben.

—Als nächstes verweisen wir auf die Wirkung eines Freudenfeuerwerks aus Marx-/Engels- und Lenin-Werken, roten Fahnen etc. zur Erhellung der Nacht, und zwar unter den Klängen deutscher Posaunen.

—Als Garantie für tausendfaches Erscheinen und stimmungsgeladene Beteiligung kann die Ausgabe von Freibier gelten.

—Als General-Sponsor schlagen wir die Firma ZEWA vor, die mit ihren Produkten die deutsche Wisch-und-weg-Qualität bereits international bekannt gemacht hat.

—In jedem Fall sollte die Demontage des Lenin-Denkmals am Nationalfeiertag der Deutschen, dem 3. Oktober, stattfinden.

Wir gehen davon aus, daß Sie und Ihr Planungsstab dieses Szenario mühelos aus eigener Kraft organisieren können. Das Honorar für diese Konzeption überweisen Sie uns auf das Ihnen genannte Konto.

Wir werden uns indessen, als flankierende Maßnahme, an die Duden-Redaktion wenden und uns darum bemühen, daß derart überkommene Begriffe wie „Erinnerung“ und „Denkmal“ unverzüglich aus dem deutschen Wortgut gestrichen werden.

Mit verzückter Hochachtung

Ihr Büro für gewöhnliche Maßnahmen(Foto: Gerald Zörner)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen