piwik no script img

Baggern ohne Bebauungsplan

■ Bauarbeiten im Hollerland begonnen / Bausenator rechnete mit SPD-Mehrheit

Direkt nach der Wahl sind im Hollerland die Baumaschinen aufgefahren. Obwohl es für den Streifen zwischen Autobahnzubringer Horn-Lehe, Pappelwäldchen und Lilienthaler Heerstraße noch gar keinen Bebauungsplan gibt, haben zwei Bagger und eine Planierraupe inzwischen bereits das Fundament für eine 400 Meter lange und 17,50 Meter breite Erschließungsstraße gelegt. Der Bremer Architektur-Professor Klaus Kammerer stellte gestern Strafanzeige gegen die Bauarbeiten, und Dieter Mazur, grünes Mitglied des Horner Beirats, beantragte per Eilentscheidung beim Verwaltungsgericht die Anordnung eines Baustopps.

Tatsächlich hatte der Bausenator bereits am 6. Juni auf Antrag des Amtes für Straßen- und Brückenbau die Erschließungsmaßnahmen für das geplante Wohngebiet im Hollerland genehmigt — obwohl die Frist für Einwendungen gegen den Bebauungsplan-Entwurf erst am 19. September ablief.

Über 60 AnwohnerInnen und Organisationen hatten bis dahin von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht. Sie sehen sich durch den überraschenden Beginn der Bauarbeiten jetzt ebenso geprellt wie der Beirat Horn- Lehe, der den ausgelegten Bebauungsplanentwurf einstimmig abgelehnt hatte.

Für den Leiter der Rechtsabteilung beim Bausenator, Peter Noltenius, ist der Baubeginn ohne Bebauungsplan jedoch ein „ganz normaler Fall“. Schließlich hätten Stadtbürgerschaft, Deputation und Senat die Hollerland-Bebauung im Grundsatz befürwortet. Damit sei der Bausenator befugt, auch vor dem Beschluß eines endgültigen Bebauungsplans bereits die Erschließungsarbeiten zu genehmigen, um unnötige Verzögerungen beim Bau der dringend benötigten Wohnungen zu verhindern.

Doch zugestimmt hatte den Hollerland-Plänen im Sommer nur die SPD-Mehrheit in der Baudeputation — und selbst das erst fünf Tage nachdem die Erschließungsarbeiten genehmigt worden waren. Die Oppositionsparteien CDU, FDP und Grüne hatten ebenso wie der Horner Beirat entschiedene Einwände gegen den Bebauungsplan vorgebracht.

Doch für Peter Noltenius war das kein Problem, als er den Baubeginn auch ohne Bürgerschaftsbeschluß genehmigte. „Im Juni hat doch kein Mensch daran gedacht, daß es in Bremen einmal andere Mehrheiten geben würde“, sagte er gestern. Und selbst nach dem Wahldesaster der SPD sieht er noch keinen Grund, die Bauarbeiten ohne Bebauungsplan zu stoppen. „Ich würde mich schwer tun, einen Widerrufgrund für unsere Genehmigung zu finden“, sagte er. Schließlich sei auch jetzt „keine neue Entscheidung zum Hollerland“ in Sicht.

Doch da könnte er sich täuschen. Die Grünen hatten sich zwar nach langem Zaudern grundsätzlich für eine Bebauung des Hollerland-Streifens entschieden — allerdings nur unter der Bedingung, daß dort ein Modellprojekt ökologischen Bauens entsteht. Doch davon ist in dem von der Behörde vorgelegten Bebauungsplan fast nichts zu sehen. „Wir werden das Thema auch in die Koalitionsverhandlungen einbringen“, erklärte der Horner Grüne Dieter Mazur gestern entschieden.

Doch zumindest teilweise werden bis zu deren Abschluß im Hollerland Fakten geschaffen sein. Schon heute ist durch die Bauarbeiten ein ökologisch wichtiger Graben mit Schilfbewuchs mit Sand zugeschüttet worden. Und mit einem schnellen Baustopp ist nicht zu rechnen. Reagierten doch Bremens Polizei und Verwaltungsgericht gestern nur mit großer Gelassenheit. Über den Eilantrag auf Anordnung eines Baustopps werde frühestens nächste Woche entschieden, wenn die Akten vorlägen, teilte der zuständige Verwaltungsrichter Alfred Kuhlmann mit.

Und das 4. Polizeirevier in Horn-Lehe hat die Strafanzeige „erstmal zu Papier gebracht“, wie der stellvertretende Revierleiter gestern auf Nachfrage sagte, „das geht dann am Montag auf den Dienstweg zur Kripo. Und was die dann damit macht, wissen wir auch nicht.“ Dirk Asendorpf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen