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Wird die Rote Armee bald Mitglied der Nato?

Bonn/Washington (dpa/afp) — Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Willy Wimmer (CDU), schließt nicht aus, daß die in Zukunft erheblich reduzierten sowjetischen Streitkräfte der Nato unterstellt werden. Zumindest könnten sie in einer engen partnerschaftlichen Verbindung zum westlichen Bündnis stehen, erklärte Wimmer gestern in Bonn. Er verwies auf entsprechende Diskussionen in der sowjetischen Armee und auf die Ankündigung des stellvertretenden Verteidigungsministers Pawel Gratschow, die Stärke der sowjetischen Streitkräfte von gegenwärtig 4 Millionen Mann bis 1994 auf 2 bis 2,5 Millionen Soldaten zu verringern.

Bei einer solchen Entwicklung könnten nach Meinung von Wimmer nicht nur die komplizierten Sicherheitsfragen zwischen den Republiken der ehemaligen UdSSR und zwischen der Tschechoslowakei, Ungarn sowie Polen eine „positive Wendung nehmen“. Die für die Sicherheit so wichtige Frage nach der Zukunft des sowjetischen Atompotentials wäre in einem neuen und völlig veränderten Licht zu sehen. Die Dynamik der politischen Entwicklung auf der nördlichen Hemisphäre macht es nach den Worten von Wimmer denkbar, daß der letzte sowjetische Soldat, der aus Ostdeutschland abzieht, „das Land bereits als Verbündeter der Bundeswehr verläßt“. Vertreter von Nato und westlichen Geheimdiensten sowie der sowjetischen Armee und des KGB haben bis Donnerstag abend bei Moskau über die Sicherheitslage in der Sowjetunion beraten. Bei der Tagung hinter verschlossenen Türen sei es um die sowjetischen Atomwaffen und die Neuorganisation der Roten Armee gegangen, berichtete die russische Nachrichtenagentur 'RIA‘. Es seien nur wenige Informationen von dem dreitägigen Treffen nach außen gedrungen, hieß es. Teilnehmer der Tagung waren unter anderem General Brian Kenny, der stellvertretende Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa, und der russische Vizepräsident Alexander Ruzkoj. Der Chef der Analyseabteilung des sowjetischen Geheimdienstes KGB, Wladimir Rubanow, habe unterstrichen, daß die Lage in der Sowjetunion „heute schlimmer ist als vor dem Staatsstreich im August, weil es immer noch keine zivile Kontrolle über die Armee gibt“.

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