Chance für den ökologischen Landbau

Institute plädieren für den ökologischen Landbau nach dem Zusammenbruch der Agrarfabriken  ■ Aus Magdeburg E. Löblich

Daß die Landwirtschaft in den neuen Bundesländern grundlegend saniert werde muß, daran zweifelt niemand. Die zentrale Frage dreht sich um das Wie. Die einen, und dazu gehören auch die Landwirtschaftsministerien, können es gar nicht erwarten, dieselben Fehler wie im Westen zu machen, die anderen machen sich Gedanken um eine völlige Neuordnung, um die Möglichkeiten, den Zusammenbruch der Agrarfabriken zur flächendeckenden Umstellung auf ökologischen Landbau zu nutzen. Die Fraktion Bündnis90/ Grüne im Landtag von Sachsen-Anhalt hat gleich zwei Institute beauftragt, diese Möglichkeiten zu untersuchen. Und sowohl Professor Armin Bechmann von der TU Berlin und dem Institut für ökologische Zukunftsperspektiven als auch Ernst Dörfler vom Ökozentrum Magdeburg wurden fündig.

„Der Zusammenbruch der Landwirtschaft in der ehemaligen DDR ist eine einmalige Chance, den ökologischen Landbau als die zukunftsweisende Form der Landwirtschaft in Gang zu bringen“, ist sich der Umweltforscher Bechmann sicher. Ursprünglich ging er lediglich davon aus, welche positiven Auswirkungen eine solche Umstellung auf die Umwelt haben werde. Aber im Verlauf seiner Untersuchungen kam er darauf, daß sich eine flächendeckende Umstellung auf ökologischen Landbau auch im sozialen Bereich und sogar in der technischen Innovation positiv niederschlagen werde.

„Zunächst einmal ist der ökologische Landbau viel arbeitsintensiver als die konventionelle Landwirtschaft“, rechnet Bechmann vor. Der Verzicht auch Chemie und auf mineralischen Dünger sowie eine artgerechte Tierhaltung machen in der Landwirtschaft einfach mehr Hände erforderlich. „Mit der flächendeckenden Umstellung der Landwirtschaft könnten wir allein in Sachsen- Anhalt 70.000 Arbeitsplätze zusätzlich schaffen.“ Ein Großteil dieser Arbeitsplätze wäre nach Ansicht Bechmanns im Ökolandbau direkt angesiedelt. Aber auch für den Bereich der Vor- und Nachleister wäre der ökologische Landbau eine echte Zukunftsperspektive. Denn: „Der angestammte Bereich der Maschinen- und Düngerhersteller ist auf Dauer nicht konkurrenzfähig“, stellt Bechmann fest. Schon heute greife die Landwirtschaft auf Zulieferer aus dem Westen zurück. „Eine Chance hat künftig nur der Hersteller, der sich auf Gebiete spezialisiert, die in den Altbundesländern noch nicht besetzt sind.“ Und im Ökolandbau gebe es durchaus einen sich entwickelnden Maschinensektor.

Die Umstellung auf ökologischen Landbau sei durchaus finanzierbar, findet Bechmann. „Wir brauchen nur bestehende Haushaltsmittel umzuverteilen.“ Die Gelder, die derzeit zur Finanzierung von Flächenstilllegung, Überproduktion, Arbeitslosigkeit und die Reparatur von Umweltschäden aufgebracht werden, müßten nur umgeschichtet werden.

Denn Überproduktion gebe es im Ökolandbau nicht. Im Gegenteil: Der Ertrag gehe zurück. Deshalb sei es auch notwendig, daß Ökolandwirte für ihre ökologischen und sozialen Dienstleistungen bezahlt werden. „So wären Agrarsubventionen sinnvoll eingesetzt“, findet Bechmann. Und findet volle Zustimmung bei Ernst Dörfler vom Magdeburger Öko-Institut. „Es ist ein Unding, daß die konventionelle Landwirtschaft im neuen Umweltgesetz der Bundesrepublik noch immer als naturschützend betrachtet wird und quasi einen Freibrief erhält“, findet Dörfler. Die Regierungen in Bund und Ländern wüßten nur noch nicht, was mittel- und langfristig an Folgekosten der Landwirtschaft auf sie zukomme.

Gemeinsam mit den beiden Wissenschaftlern hat ihre Auftraggeberin, die Fraktion Bündnis 90/Grüne, eine Paket konkreter Forderungen formuliert. Zunächst müsse das Landwirtschaftsministerium, das übrigens bei der Vorstellung der Untersuchungen durch Abwesenheit glänzte, einen wissenschaftlichen Variantenvergleich von konventionellem und ökologischem Landbau in Auftrag geben. „Bei der Kostenanalyse sind aber nicht nur die direkten Kosten, sondern auch die gesellschaftlichen Kosten zu berücksichtigen“, betont Dörfler. Darüber hinaus sei eine gemeinsame Initiative der Umwelt-, Arbeits- und Landwirtschaftsminister der Länder in Richtung Bonn und Brüssel notwendig. Das ABM-Programm für die neuen Länder müsse stärker in den ländlichen Raum übertragen werden. „Die landeseigenen Güter müssen als erstes umgestellt werden“, fordert Bündnis-Fraktionschef Hans-Jochen Tschiche. Für ihn und die beiden Wissenschaftler ist eine schnelle Umstellung der Landwirtschaft Sachsen-Anhalts auf Ökolandbau eine historische Chance: „Auf Dauer gibt es keine Alternative dazu, und wer zuerst mit dem neuen Know-how und den neuen Produkten auf den Markt kommt, hat letztlich in der Marktwirtschaft die Nase vorn.“