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Parteienstreit um Asylrecht verschärft

■ Union beharrt auf Grundgesetzänderung, SPD und FDP dagegen/ Kritik an Weizsäckers Haltung zum Asylrecht

Hamburg (dpa) — Unmittelbar vor dem Bonner Spitzengespräch am Donnerstag hat der Asylstreit an Schärfe zugenommen: Während CDU und CSU am Wochenende auf einer Änderung des Grundgesetzes beharrten, lehnten SPD und FDP erneut jegliche Eingriffe in die Verfassung strikt ab. Zudem konnten sich die Unionsparteien auf der ersten gemeinsamen Tagung ihrer Parteivorstände nicht darüber einigen, ob sie neben einer Änderung des Asylartikels 16 auch eine Neufassung der sogenannten Rechtsweggarantie im Artikel 19 anstreben.

Kritik wurde bei Unionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz an der Haltung von Bundespräsident Richard von Weizsäcker laut. Aus Teilnehmerkreisen hieß es unter Berufung auf Berichte, Weizsäcker habe eine Grundgesetzänderung als wenig sinnvoll abgelehnt, der Bundespräsident habe sich „nicht gerade glücklich verhalten“.

SPD-Chef Björn Engholm betonte für seine Partei: „Wir lassen am Individualrecht auf Asylantrag nicht rütteln.“ Es gebe keinen Beleg dafür, daß eine Grundgesetzänderung irgendein Problem löse. Die SPD wolle am Donnerstag bei Bundeskanzler Helmut Kohl eine drastische Beschleunigung der Asylverfahren erreichen. „Erfassen, beurteilen, zurückschicken“, so Engholm, sei einschließlich einer richterlichen Entscheidung in sechs bis acht Wochen möglich. Auch müßten Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. SPD-Fraktionschef Vogel forderte die Bundesregierung auf, bei dem Spitzengespräch endlich konkrete Vorschläge für eine Neuregelung des Asylrechts zu machen. Trotz ständiger Aufforderungen gebe es bislang keine klare Vorlage der Koalition.

Auch die Liberalen machten erneut klar, daß für sie eine Grundgesetzänderung nicht in Frage kommt. Zunächst müsse der Asylmißbrauch eingeschränkt werden. Dafür habe die FDP Gesetzesvorschläge vorgelegt, die vor allem auf die Abkürzung und Beschleunigung der Verfahren, die Verkürzung der Rechtswege und die Einrichtung von zentralen Unterkünften zielten.

CDU-Chef Kohl bestritt zum Abschluß der Beratungen in Banz einen Dissens mit CSU über deren Forderung, wegen der angestrebten Verkürzung des Rechtsweges in Asylverfahren auch Artikel 19 zu ändern. Er sehe „keine unlösbaren Probleme“ für eine Einigung mit der CSU, betonte er. Eine Verfassungsänderung sei aber nur mit Zustimmung der SPD möglich.

Über die Position des Bundespräsidenten gegen eine Grundgesetzänderung sagte der Kanzler, wenn von Weizsäcker dies so gesagt habe, sei dies „seine Sache“. Er wolle sich öffentlich nicht dazu äußern. Dagegen nannte CDU-Generalsekretär Volker Rühe die Äußerungen Weizsäckers „unangemessen“. Auch in der Klausur in Banz wurde nach Auskunft von Teilnehmern kritisiert, daß das Staatsoberhaupt in einer so brisanten Frage so eindeutig öffentlich Position beziehe. Beide Parteivorstände stimmten überein, daß der Vorschlag von Innenminister Wolfgang Schäuble eine Grundgesetzänderung erforderlich macht. Dieser sieht in Form einer Liste die Festlegung von Ländern vor, in denen es keine Verfolgung gebe und in die Asylbewerber sofort zurückgeschickt werden können.

Die Unionsvertreter in Banz sprachen von einer „Asyllüge“ der SPD, weil kommunale Vertreter der Sozialdemokraten — im Gegensatz zur Bundespartei — eine Grundgesetzänderung befürworteten.

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