piwik no script img

Welle der Gewalt gegen Ausländer

■ Dutzende Brandanschläge und Körperverletzungen am Wochenende gegen ausländische Mitbürger und deren Unterkünfte/ Anschläge und Übergriffe über die ganze Republik verteilt

Berlin (afp) — Asylsuchende und Gastarbeiter in ganz Deutschland sind am Wochenende wieder gewalttätigen Angriffen ausgesetzt gewesen. Über drei Dutzend Überfälle und Anschläge auf Ausländer und ihre Unterkünfte in allen Teilen des Landes wurden bis Sonntag mittag bekannt, die Polizei vermutet außerdem eine hohe Dunkelziffer. Überwiegend handelte es sich um Brandanschläge und Steinwürfe gegen Asylbewerber- und Übersiedlerheime, die zumeist in größeren Gruppen begangen wurden.

Im baden-württembergischen Brühl überfiel eine Gruppe von Skinheads auf einem Volksfest drei nigerianische Asylbewerber und verletzte sie schwer. Eines der drei Opfer wurde mit einem Schädelbasisbruch ins Krankenhaus eingeliefert, befand sich am Sonntag mittag jedoch außer Lebensgefahr. Die Polizei konnte, obwohl sie das Gelände umstellte, keine Zeugen ermitteln. Nach Angaben eines Polizeisprechers bestand unter den Kirmesbesuchern offenbar kein Interesse daran, die Täter zu überführen. Bei Karlsruhe wurde in der Nacht zuvor ein Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim verübt, in dem sich zur Tatzeit 20 Erwachsene und 20 Kleinkinder aufhielten.

Neun Anschläge auf Ausländer an diesem Wochenende meldete die Polizei in Niedersachsen. In der Nacht zu Sonntag wurde in Osnabrück ein Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim verübt, bei dem die Türen und ein Teil der Decke verbrannten. In der Nacht zuvor wurde ein Asylbewerberheim in Buchholz mit Brandflaschen beworfen.

In Winsen an der Aller erwischten wachestehende Asylbewerber in der Nacht zu Sonntag vier Skinheads, die sich auf das Gelände des Heims geschlichen hatten und gerade die Fenster einwerfen wollten. Einen der Täter übergaben die Asylbewerber der Polizei, nachdem sie ihn „körperlich ermahnt hatten, so etwas nicht mehr zu tun“, wie ein Polizeisprecher mitteilte.

Im schleswig-holsteinischen Halstenbeck warfen Unbekannte in der Nacht zu Sonntag die Scheiben eines Ausländerwohnheimes ein. In Pesperhude an der Elbe skandierte ein Gruppe von Männern vor der Asylbewerberunterkunft „Wir kommen wieder, wir bringen euch um“. Die verängstigten Heimbewohner bewaffneten sich mit Messern und holten die Polizei. In der Nacht zuvor waren in Nordrhein-Westfalen insgesamt vier Asylanten- und Übersiedlerwohnheime in verschiedenen Orten angegriffen worden. Dabei handelte es sich in drei Fällen um Brandstiftung mit Molotowcocktails, in Kamen bewarfen Unbekannte das Gebäude mit Steinen.

Aus Brandenburg wurden am Wochenende insgesamt sieben Fälle von Übergriffen gegen Ausländer gemeldet. In Eisenhüttenstadt wurde am Samstag ein Asylbewerber auf offener Straße zusammengeschlagen und mußte ärztlich behandelt werden. Die Polizei löste dort im Lauf der Nacht eine Gruppe von 40 Jugendlichen auf, die sich auf dem Weg zum Asylbewerberheim befand. In Jüterbog konnte die Polizei eine Gruppe von Jugendlichen daran hindern, Steine auf ein Wohnheim zu werfen. In Schwedt warfen elf Personen die Fenster eines Asylbewerberheimes ein und zertrümmerten die Eingangstür. In Bad Liebenwerda wurde ein Heim mit Brandflaschen beworfen, die Täter entkamen. Auch in der Nacht zu Sonntag wurden Asylbewerberheime in Storkow, Treuenbrietzen und Struwenberg angegriffen.

In Schwerin bewarfen fünf Männer und fünf Frauen am Samstag abend ein Asylbewerberheim mit Steinen und zertrümmerten mehrere Fenster. In Pritzier in Mecklenburg- Vorpommern warfen Unbekannte aus einem Auto einen brennenenden Gegenstand gegen ein Asylbewerberheim und riefen dabei „Ausländer raus“. In Rostock griffen in der Nacht zu Samstag etwa 30 Jugendliche ein Wohnheim an, in dem rumänische Monteure untergebracht sind.

Das Thüringer Innenministerium berichtete, in Gotha hätten vier Unbekannte in der Nacht einen Fähnrich der sowjetischen Streitkräfte überwältigt und aus dem Fenster im dritten Stock geworfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen