Wiederholungen sind willkommen

■ Studie beschreibt Folgen von immer schnelleren Bilderreizen

Frankfurt (ap) — Moderne, „fetzige“ Fernsehprogramme mit rapide wechselnden Bildern und Themen sind offenbar gar nicht zuschauergerecht.

Zu diesem Schluß kommt jedenfalls eine Studie der Medienpsychologin Herta Sturm in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann-Stiftung. Die Temposteigerung ist derzeit die stärkste Tendenz elektronischer Medien, sagte ZDF-Fernsehspielleiter Hans Janke bei der Vorstellung der Studie. Doch die Zuschauer erleben die pausenlosen Bilderreize als Streß, können die Inhalte immer weniger verstehen oder sich daran erinnern, wie Frau Sturm sagte.

„Fernsehdiktate: Veränderung von Gedanken und Gefühlen“ ist der Titel der Untersuchung. Warum es für den Zuschauer Aufnahmegrenzen gibt, beschrieb die Psychologin so: Jeder begleite das soeben Gesehene mit inneren Kommentierungen. Nur über diese Umsetzung in die eigene Sprache werde Kommunikation möglich.

„Sind aber die Fernsehdarbietungen zu durcheinander bild-wort-vermischt, sind sie zu verkürzt und fetzig, dann verstummt der Zuschauer in seiner inneren Verbalisierung, er kommt nicht mehr mit und antwortet fast nur noch mit globalen Beschimpfungen.“ Er werde mit seinen Gedanken und Phantasien hängengelassen.

„Eigentliche Renner“ bei den Zuschauern seien denn auch die „anspruchslos-gemütlichen“ Fernsehsendungen wie Fußball oder Shows mit einem immer wiederkehrenden Moderator, wie es sie auch in den Programmen des Privatfernshehens gebe. „Wiederholungen sind entgegen einschlägiger Polemik willkommen“, schloß Janke.

Die Hektik der bunten Bilder jedoch übt der Studie zufolge viel stärkere Reize aus, und diese Erregung erschwere das Abschaltenkönnen: „Denn schaltete man ab, dann viele man in ein Erregungsloch, es sei denn, man kann sich seine physiologische Erregung über eigene Interessen und anderes Tun holen.“

Der Zürcher Medienpädagogikprofessor Christian Doelker beschrieb als Folge der Reizüberflutung die Entstehung eines Fernsehanalphabetismus: „Man glaubt nur, man habe etwas verstanden.“ Zumindest bei „Viel- und Wahllossehern“ können nach Ansicht der Autorin Sturm einerseits Dickfälligkeiten oder Abstumpfungen und andererseits erhöhte Sensibilisierungen gegenüber Lärm, Gewalt und Massendarbierungen die Folge sein. Denkbar sei das Paradoxon eines Zuschauers, der starr und stundenlang vor dem Fernsehen sitzt, aber mit hoher psychologischer Erregung aufgeladen ist, „von der man nicht weiß, ob, wie und wann sie sich entlädt.“

Den Programmachern empfahl die Medienpsychologin, zumindest „zuschauerfreundliche Halbsekunden bei Ereignis-, Inhalts- und Themenwechseln“ in die Beiträge einzubringen und Phasen von Spannung und Entspannung zu beachten. Besonders an die Adresse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sagte sie: „Je mehr man sich die Zuschauer durch überhöhte Rasanzen gegenseitig abzujagen sucht, desto eher können ruhig gemachte, inhaltlich formadäquate Beiträge mit einer Zuschauerschaft rechnen, die bislang manche Vernachlässigung erfahren hat.“