Verrottete politische Moral

■ betr.: "Aufstieg" der Rechtsradikalen in Bremen und "verfehlte Flüchtlingspolitik"

betr.: „Aufstieg“ der Rechtsradikalen in Bremen und „verfehlte Flüchtlingspolitik“

Da sind Geister gerufen worden, die man nun nicht mehr los wird. Jetzt sitzen sie auch schon in der Bremer Bürgerschaft.

Mit Horrorszenarien aus ministerialen Mündern wurde ein Menetekel an die Wand gemalt, nach dem wahre „Asylantenfluten“ uns zu „überschwemmen“ drohten. Wer so unverantwortlich daherredet, muß sich nicht wundern, wenn vor allem junge Menschen in die Arme der Rechtsradikalen getrieben werden, junge Menschen mit düsterer Zukunftsperspektive, die endlich die Ursache allen vermeintlichen Übels in den Flüchtlingen erkannt zu haben glauben. Fakten waren nicht gefragt, nur dumpfe Fremdenängste wurden geschürt.

Tatsache aber ist, daß die weitaus meisten Flüchtlinge im ersten Halbjahr 1991 aus Ländern kamen, in denen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen werden oder in denen blutiger Bürgerkrieg herrscht: Jugoslawien, Rumänien, Ostanatolien, Iran, Libanon.

Tatsache ist auch, daß sämtliche bei uns lebenden Flüchtlinge, ob anerkannt oder noch im Verfahren, weit weniger als ein Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik ausmachen. Wer angesichts dieser Quote demagogisch von „Asylantenfluten, -strömen oder -wogen“ spricht, darf sich nicht wundern, wenn Haß und Gewalt gegen die Hilflosesten und Schutzbedürftigsten provoziert werden.

Tatsache ist auch, daß zwar nur weniger als zehn Prozent der Asylbewerber als politische Flüchtlinge gemäß Artikel 16 des Grundgesetzes anerkannt werden, daß aber mehr als zwei Drittel der abgelehnten Flüchtlinge aufgrund internationaler Verträge und Verpflichtungen, wie zum Beispiel der Genfer Flüchtlingskonvention ein verbrieftes Bleiberecht bei uns haben. Wer diese Menschen als „Scheinasylanten“ diffamiert, handelt infam und menschenverachtend.

Warum beginnt man nicht endlich damit, die Ursachen der weltweiten Fluchtbewegungen in den Herkunftsländern zu beheben, statt weiterhin hemmungslos Waffen in Bürgerkriegsgebiete zu exportieren? Mit Waffen auch aus deutscher Produktion wird ein Großteil der Flüchtlinge aus ihrer Heimat gebombt — und wir wundern uns dann, wenn sie vor unserer Tür stehen und unseren Schutz erbitten.

Von verrotteter politischer Moral mancher verantwortlicher, aber verantwortungslos handelnder Politiker zu sprechen, ist angesichts dieser Tatsachen sicherlich eine Untertreibung. Heiko P.Müller,

Neustadt an der Weinstraße