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Stasi-Zentrale wird Finanzamt

■ Opferverbände wurden aus dem »Haus des Schreckens« in der Normannenstraße herausgekündigt

Lichtenberg. Der Stasi-Komplex an der Ecke Rusche-/Normannenstraße ist riesig. Am 1.7.91 übergab die Treuhand die Gebäude an den Senat. Darunter auch die einstige Mielke- Befehlszentrale, das berüchtigte Haus 1, das sogenannte »Haus des Schreckens«. Geflissentlich hatte die Treuhand übersehen, daß diese Stasi-Zentrale nach Willen eines DDR-Ministerratsbeschlusses eine Forschungs- und Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus werden sollte. Jetzt braucht Berlin Räume für das Finanzamt Mitte und räumt mit der Vergangenheit auf. Mehreren Opferverbänden, die unter provisorischen Bedinungen im dritten Stockwerk des Hauses ihre Arbeit aufgenommen haben, wurde gekündigt. Herausgeschmissen aus dem ehemaligen Haus ihrer Peiniger sollen der »Bund Stalinistisch Verfolgter«, die »Arbeitsgemeinschaft ehemaliger politischer Häftlinge«, der Verein zur Hilfe für Opfer des SED Regimes »Help« sowie das »Dokumentationszentrum zur Aufklärung der SED- Verbrechen«. Bleiben — nur bis 1993 — darf die »Antistalinistische Aktion« (ASTAK), die in den beiden unteren Stockwerken ein Museum eingerichtet hat.

Wohin die Verbände gehen sollen, die den Opfern des Stalinismus konkrete Hilfe geben und die aus der Sicht der Betroffenen die Stasi-Repressionen erforschen und dokumentieren wollen, ist dem Berliner Senat offensichtlich gleichgültig. Der Vizepräsident des Dokumentationszentrums, der Schriftsteller Sigmar Faust ist empört. »Die Politiker werden nicht müde, ihre Solidarität zu bezeugen und gleichzeitig schmeißen sie uns raus«, sagt er. Es sei »pietätlos, den Opfern des SED- Regime ausgerechnet dieses Haus zugunsten eines Finanzamtes wegzunehmen«, schrieb er an Finanzsenator Pieroth und ergänzte dabei, daß die Stasi-Zentrale kein »Haus des Schreckens in Form eines Finanzamtes« werden darf, sondern umgestaltet werden muß in ein »Haus der Vergangenheitsbewältigung«.

Das waren harte Töne, die dem Finanzsenator nicht gefielen. Mit keinem Wort ging er in seinem Antwortschreiben auf das Anliegen, nämlich dem Erhalt des Hauses für die Öffentlichkeit, ein. Er betrachte es als eine »Verunglimpfung einer rechtsstaatlichen Behörde«, schrieb er am 25. September, wenn das Finanzamt ebenfalls als ein Haus des Schreckens bezeichnet werde. Dagegen verwahre er sich. Vordringlichste Aufgabe sei es jetzt, »Steuergerechtigkeit gegen Jedermann zu üben«, da bräuchte man viele zusätzliche Mitarbeiter und die eben Platz. Faust solle bedenken, daß die Sicherung des Landeshaushalts Priorität habe und »da stehen sich die Seite der Ausgaben und die Seite der Einnahmen gegenüber«. Diese Argumentation wiederum empfindet Faust als »zynisch und makaber«. »Wenn man unsere Arbeit nur als Ausgabe begreift«, sagt er, »dann kann Berlin nie eine neue Hauptstadt werden, denn sie wird gebaut auf dem altem Sumpf«. Die Idee, die alte Stasi-Zentrale zu einem Ort ähnlich dem Simon-Wiesenthal-Zentrum in Wien für die nationalsozialistischen Verbrechen zu gestalten, will Faust nicht aufgeben. Zumal die Mitarbeiterstellen der diversen Verbände durch ABM-Maßnahmen finanziert werden. »Aber was nützen Arbeitsstellen, wenn keine Arbeitsräume vorhanden sind«, fragt er. Gegen die Kündigung wollen die Verbände am 28. Oktober vor dem Roten Rathaus protestieren. Unterstützt werden sie vom Bündnis 90, sowie von diversen Menschenrechtsorganisationen. aku

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