: Standbild
■ Der Weg in den Westen * "Die Baskenmütze", Montag, 7. Oktober, ARD 20.15 Uhr
Mit der aufwendigen, sechsteiligen Verfilmung des Bestsellers Die Baskenmütze von Hans Blickendörfer startet die ARD in den Herbst. Das Thema, das bisher nur von Konsalik, Kirst und Ernst Mosch mit seinen Egerländer Musikanten abgewickelt wurde, hat jetzt den Weg ins westeuropäische Fernsehen gefunden. Zehn Jahre dauerte die Realisierung der deutsch-französisch-spanisch- polnischen Koproduktion, Geld dafür gab's genug. In der Regie des Franzosen Bonnet, mit dem deutschen Kinderstar Patrick Bach, der Engländerin Sullivan und an vornehmlich polnischen Drehorten wird die Geschichte des jungen deutschen Soldaten Hans erzählt, der mit Hilfe seiner Sprachkenntnisse dem Nachkriegsdeutschland entkommen kann.
Als die Ostfront am Brandenburger Tor verlief, begann für Millionen Deutsche der verzweifelte Weg nach Westen. Ganz gemächlich breitet der Film die Bilder aus, erzählt von Hinrichtungen deutscher Deserteure, Plünderungen und Brandschatzungen im zerstörten Berlin. Trotz der Zeit für Details kann er keine genaue Vorstellung der damaligen Verzweiflung geben. Die Flüchtlingsmassen werden von wohlgenährten Statisten in tadelloser Kleidung dargestellt. So beginnt Hans seine Irrfahrt durch Europa.
Als französischer Kriegsgefangener überquert er die Elbe, als Flüchtling schlägt er sich nach Frankreich durch. Die autobiographisch gefärbte Geschichte gewinnt aus der Selbstverleugnung des Deutschen, der um des Überlebens willen zum Verräter wird, ihre Spannung. Beiläufig erfährt er von den deutschen Konzentrationslagern und von Hitlers Tod; Nachrichten als Tauschwaren, mit denen er die alliierten Soldaten füttert. Das Trauma der Niederlage, des völligen Zusammenbruchs wird nicht angerührt; Hans möchte durchkommen, nicht nachdenken.
Anrührende Szenen entwickeln sich, als US-Soldaten aus Kriegsmüdigkeit helfen. Durchaus inspirierte Momente, die der internationalen Spiellaune zu danken sind, wechseln mit Abstürzen in den gewöhnlichen TV-Alltag. Zur dramaturgischen Strukturierung fädelt man eine Liebesgeschichte ein, die um seine Herkunft weiß, ihn als Deutschen verachtet, den frischen jungen Mann jedoch zunehmend interessant findet. Hier wildert die angebliche Autobiographie im Reich der Teleträume, aber schließlich muß Stoff für fünf weitere Folgen dasein.
Die Geschichte des Deutschen, der sein Land verläßt und im Westen sein Glück versucht, hat schon als Buch in achtzehn Ländern ein Millionenpublikum gefunden; es ist eines der Heldenepen unserer Nachkriegsgesellschaft. Nicht von Schuld und Sühne ist die Rede, sondern von der gelungenen Verwestlichung der Verlierer.
Olga O'Groschen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen