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GASTKOMMENTARSollen wir uns wundern?

■ Stasi-Schneider predigte uns die Ruhe im Land

Nun ist es vorbei mit dem Fingerzeigen auf die Wunden des Ostens. Auch der Westen hat seine Eiterbeulen. Eine ist geplatzt. Der grüne Bundestagsabgeordnete Dirk Schneider kam 1984/85 in den Osten, zu uns nach Hause und predigte uns, wie sich die Opposition in der DDR zu verhalten habe. Seine Losung: »Ruhe im Land dient der Entspannung«, zeigt uns heute seine Herkunft. Jetzt wissen wir, draußen stand die Stasi und schickte uns ihren Abgesandten des Deutschen Bundestages in die Küche. Wir sind nicht sehr überrascht, aber damit auseinandersetzen muß sich die linke Szene des damaligen Westens — AL/Grüne. Denn erinnern wir uns an die harten Diskussionen mit Dirk Schneider, wenn es um die Aktivitäten von Sympathisanten der DDR-Opposition ging, wie z.B. Roland Jahn, Jürgen Fuchs, Wolfgang Schenk. Erinnern wir uns auch daran, daß die Grünen insgesamt und besonders die AL nie eine klare Stellung zur DDR-Opposition bezogen haben. Die Durchsetzung der DDR-Opposition mit Stasi ist uns heute zum Teil bekannt, auch die Parteien des Westens müssen jetzt ihre Vergangenheit neu schreiben. Denn AL-Gründungsmitglied Schneider hat nicht nur deren Politik geprägt, sondern auch die ständigen Querelen innerhalb der Partei mit provoziert. Schneider ist ein Beweis dafür, daß die Persilscheine der Gauck- Behörde (12.9. 1991!) wenig wert sind. Kein Ehrenrat, keine Sonderkommission reichen aus, um das Kapitel Stasi aufzuarbeiten. Nur die Einsicht eines jeden in seine Akten, wo Opfer und Täter klar zu erkennen sind, kann Licht in dieses dunkle Kapitel gesamtdeutscher Geschichte bringen. Hoffentlich zwingt der Fall Schneider die noch uneinsichtigen Politiker zu einer neuen Bewertung der Problematik und läßt sie ein Stasi-Abwehrgesetz verabschieden, das zur wahren Geschichtsaufbereitung beiträgt. Uns wäre zwar eine große Fraktion der Bürgerbewegungen im Bundestag lieber als eine überparteiliche Stasi-Fraktion. Aber zur Klarheit der politischen Verhältnisse im Bundestag würde sie beitragen. Uns nervt das Stasi-Thema. Trotzdem müssen wir da durch, damit klar wird, wer wofür verantwortlich ist. Ohne diesen Weg weiter zu gehen, werden die geschlossenen Gesellschaften von rechts bis links nie aufbrechen. Bärbel Bohley, Ralf Hirsch

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