: Eine Flasche im Kopf
■ Georg Baselitz bei Fahnemann
Zu Baselitz ist ja eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Ein älterer Herr ist er, Trinker vielleicht, dem die Ausschweifungen seiner besten Jahre ins Gesicht und auf den Leib geschrieben sind. Ein netter, älterer Herr ist er jedenfalls nicht, da er zwanghaft dem ergrauten Image des bösen, aber genialischen Künstlers folgt. Warhol meinte mal zum Showbiz im allgemeinen und Kunstmarkt im besonderen, daß ein Künstler nur ein einziges Mal eine gute Idee braucht und dann nur noch dafür sorgen muß, daß möglichst viele und wichtige Leute davon Wind bekommen, daß da jemand ist, der eine gute Idee hat. Danach müssen nur noch die wichtigen Leute bei der Stange gehalten werden. Baselitz jedenfalls kannte diese Leute, denn schließlich verkauft er seine Ideen seit knapp einem Vierteljahrhundert. Ja, Lüpertz! Der malt wenigstens mittlerweile wie Picasso zu seiner besten Zeit; aber Baselitz? Nee, nee! Der malt weiter verkehrt herum, als ob sein Leben davon abhinge. Sein Leben zwar nicht gerade, aber wenigstens sein Landhaus in Frankreich.
Baselitz malt nicht nur: Markus Lüpertz versucht sich ja auch in Terrakotten, weil Picasso ja schließlich auch gebildhauert hat. Baselitz schnitzt, unter anderem in Holz und Linoleum, und zwar soviel, daß zwei mindestens zwei Kilo schwere Kataloge mit dem Gesamtverzeichnis der Linol- und Holzschnitte gefüllt werden konnten. Eine Auswahl daraus ist in der Galerie Fahnemann zu sehen.
Die ausgestellten Druckblätter replizieren entweder den Organesser — berechtigterweise das berühmteste Bild Baselitz neben dem Adler und dem außerordentlichen Große Nacht im Eimer — oder ein weiteres Bild (Kopf mit Flasche). Zwischen 1981 und 85 entstanden, zeigen sie das übliche Erkennungsmerkmal des Verkehrtherum. Da Linol- und Holzschnitte an einem Tisch statt auf einer Staffelei erstellt werden, wird dem Erstlingsvorwurf des »Die sind ja falsch herum aufgehangen!« Vorschub geleistet. Die kantigen Formen beider Drucktechniken kommen Baselitz dabei sehr gelegen, denn der grobschlächtige und pastöse Duktus des malerischen Werks wird bei den Drucken durch flächigen Aushub ersetzt. Bei maximal drei Stöcken ist jedoch die Farbigkeit wesentlich beschränkter, doch wird durch nachträgliche Übermalungen in fiebriger Pinselführung dieser Mangel ausgeglichen.
Trotzdem bleibt die Intensität des Organessers bei den Drucken unerreicht. Die knallig-farbige Orange im Bildmittelpunkt, über der ein monströs-kannibalistisches Gesicht in gebrochenen, braunen Tönen geifert, bleibt in der tiefenlosen Übereinanderlagerung der Drucke stecken. In farblichen und perspektivischen Modifikationen wird dasselbe Motiv auf immer verschiedenen Blättern wiederholt. Auch die Drucke zu Kopf und Kopf mit Flasche sind so weder eigenständige Werke, noch Skizzen, sie sind nicht mehr, als falsch herum aufgehangene, schlechte Holzschnitte. Ein Blick auf die Betitelungsschilder lüftet das Geheimnis dieser für Fahnemann untypischen Ausstellung. Auf den meisten Schildern, die neben Titel, Format, Entstehungsdatum auch Auflagenhöhe, Anzahl, Anmerkung zu Besonderheiten und Werkverzeichnisnummern (nach Jahr und Gesamtverzeichnis) angeben, leuchtet verheißungsvoll der rote Punkt. Das rote Landhaus muß ja schließlich auch mal renoviert werden. Jürgen Peters
Noch bis zum 2. November, di.-fr. von 11-18.30 Uhr, in der Galerie Fahnemann, Fasanenstr. 61, Berlin 15
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