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Ampel-„Koalition gegen rechts“

■ Der SPD-Unterbezirk Bremen-Nord steht voll hinter Wedemeier / Für Ampel

Eine „Koalition gegen rechts“ ist das neue Stichwort, unter dem Klaus Wedemeier die widerstreitenden Flügel seiner Partei um die Idee einer Ampel-Koalition sammelt. Auf dem Unterbezirksparteitag in Bremen-Nord setzte er sich erstmals auch dafür ein, daß dieses Modell als Ziel der Koalitionsverhandlungen in eine SPD- Resolution aufgenommen wird. „Ein klarer Auftrag der Partei ist erforderlich“, argumentierte Wedemeier.

Noch am Dienstag abend hatte Wedemeier im UB-Ost dafür gestritten, daß die Partei die Verhandlungskommission nicht festlegt — dort drohte eine Festlegung auf Rot-Grün.

Auch in Bremen-Nord suchten die SPD-Genossen nach den Ursachen der Wahlniederlage. „Verheerend“ sei sie, referierte Wedemeier etwas müde, insbesondere in den SPD-Hochburgen habe man viel verloren und die DVU überproportional stark gewonnen. „Schon 1987“ habe das angefangen, was sich diesmal „erdrutschartig“ ausgewirkt hat, besonders unter den jüngeren Wählergruppen.

Was die SPD inzwischen an „Fehlern“ debattiert, liest sich wie das Manuskript zu einer Rede der Opposition aus vergangenen Jahren. Fehlbesetzungen im Senat waren Wedemeier vorgeworfen worden — „Es hat auch Probleme mit und bei Personen gegeben“, räumte der jetzt ein. Arroganz der Macht wird der SPD-Regierung vorgeworfen — „Wir haben uns zu sicher gefühlt bei manchen Entscheidungen“, sagt Wedemeier heute: „Wie insgesamt mit den kleinen Leuten umgegangen wird, muß sich radikal ändern.“ Wedemeier geht so weit, das Wort „Genossenfilz“ in den Mund zu nehmen, in Zukunft „soll die Qualifikation im Vordergrund“ stehen. Verkehrspolitik — „falsch angepackt“. Bauressort - „ich hätte auf die Effizienz der Bauverwaltung achten sollen“. Kompetenz in der Finanzpolitik? Die sei dem Senat „nicht abgenommen worden“.

Nur in der Asylpolitik verteidigte Wedemeier die Senatslinie gegen Kritik, die auch vom UB- Vorsitzenden Leo gekommen war. Ausgerechnet in Bremen- Nord, so hielt er den Delegierten vor, sei schon im Juni die Forderung erhoben worden, den Zuzug von Roma zu unterbinden. Allerdings habe man die Asylbewerber-Debatte schon ein Jahr früher beginnen sollen, räumte er ein.

Eine derart weitgehende Selbstkritik war von den Delegierten schwerlich zu übertreffen. Nicht Kritik am Senat, sondern Selbstkritik der Basis war angesagt: „Jeder, der hier vorne steht, muß sich fragen lassen, was hat er falsch gemacht“, gab der UB-Vorsitzender Detmar Leo die zulässige Tonlage vor. Seinen Streit um die Asylpolitik des Senats führte er nicht fort. Ausdrücklich schloß er sich Wedemeiers Ampel-Option an: „Ich bin für ein breites Bündnis links vom konservativen Block, der von der CDU angeführt wird“, rief Leo, und fügte an, das Modell könne „eventuell auch bundespolitische Bedeutung“ haben. „Das stimmt“, entfuhr Wedemeier in der ersten Reihe.

Vereinzelt forderten Delegierte auch personelle Konsequenzen aus der Fehlerdebatte. Nur die „Arroganz der Spitzenleute“ könne erklären, warum sie nicht am Tag nach der Wahl ihren Rücktritt wenigstens angeboten hätten, sagte einer. Unter Hinweis auf eine Hörer-Umfrage des „Kaffeepott“ meinte ein anderer Delegierter, 60 Prozent der Bevölkerung seien für die große Koalition. Juso-Landesvorstandsmitglied Jörg Deml hielt dagegen, eine „Koalition gegen rechts“ müsse sich auch gegen einen „Gutteil unserer eigenen Partei“ richten. Für ihn steht auch die FDP außerhalb der Diskussion, sie sei die „Partei der sozialen Spaltung“. Gegen 22 Uhr war dann der Bedarf an selbstkritischer Aufarbeitung der verheerenden Niederlage gedeckt, Schluß der Debatte, und da Wedemeier sich für den Passus mit der Ampel-Koalition ausgesprochen hatte, zog der Delegierte, der diesen Passus aus der Resolution gestrichen haben wollte, seinen Antrag brav zurück. In großer Einmütigkeit konnten die Delegierten zustimmen und gingen auseinander. K.W.

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