Eine Chinchilla lebt nicht allein

■ Sängerin Patty Galore — Eine Mischung aus James Bonds Gespielin und neuer deutscher Heldin

Das deutsch-kanadische Quartett Chinchilla Green konnte 1988 mit seiner Debüt-LP A Taste Of Times To Come erste Erfolge verbuchen. Will man die Band musikalisch in eine Schublade stecken, liegt man mit Poprock ganz richtig. Ihrem Rezept von eingängigen Melodien und bisweilen fast orientalisch anmutender Instrumentierung bleibt die Band auch bei ihrem zweiten Album, Gravity, treu, das im November veröffentlicht wird.

Sängerin der Band ist die 25jährige Patty Galore, ein Name, der einen unwillkürlich an jene James- Bond-Gespielin denken läßt, die einst Mega-Bösewicht Goldfinger zur Strecke brachte. Die Assoziation ist beabsichtigt, auch wenn Patty, wie sie in Jeans, T-Shirt und Cowboystiefeln vor einem Café in der Sonne sitzt, nicht unbedingt wie ein mondänes Bond-Girl aussieht. So seltsam es klingt — viel eher hat sie das Zeug zu einer deutschen Heldin. Das liegt nicht nur daran, daß sie groß, kräftig und sehr blond ist, es ist dieser gerade Blick, der Patty verblüffend offen und natürlich wirken läßt, ein Eindruck, der sich im Gespräch nur bestätigt: Patty weiß, was sie will, und hat von ihrem Leben durchaus feste Vorstellungen.

»Ich probiere, in allen Dingen etwas zu finden, was es für mich gut macht«, lautet ihr Motto und: »Niemand bekommt mehr zugemutet, als er vertragen kann.« Die Entscheidung, Musikerin zu werden, kam für die gelernte Zahnarzthelferin, die in ihrer Freizeit mit einer Frauen- Punk-Band durch die westdeutsche Club-Landschaft tingelte, als sich die nächtlichen Engagements nicht mehr mit ihrem Job in der Praxis verbinden ließen. Patty hängte den Kittel an den Nagel und wurde Profi.

Nach Berlin führte die Frankfurterin ein Wink des Schicksals: Als es ihre Gruppe 1986 zu einem Konzert ins Metropol verschlug, hörte die jetzige Managerin der Chinchillas, Ariane Mummert von Lunapark, Patty singen. Sie warf eine Visitenkarte auf die Bühne. Sie brachte Patty mit den anderen Musikern in Kontakt: Chinchilla Green war geboren.

Zu Anfang fühlte sie sich in Berlin etwas unsicher, erzählt Patty, doch die Arbeit mit der Band half ihr über die Eingewöhnungsschwierigkeiten hinweg: »Es ist eine tolle Erfahrung, Menschen über Musik kennenzulernen. Man braucht eine gewisse Anlaufzeit, bis sich ein Vertrauensverhältnis aufbaut, aber nur auf diese Weise entwickelt eine Band ihre eigene Magie.«

Der Name »Chinchilla Green« entspricht dabei dem Konzept der Band: »Chinchillas sind Tiere, die allein nicht überleben können. Wir beziehen das auf uns. Wir sind alle Individualisten, und die unterschiedlichen Einflüsse kommen in der Musik zusammen. Außerdem brauche ich die Rückendeckung der anderen, insbesondere, wenn wir live spielen. Es ist immer eine Überwindung, sich vor Leuten zu produzieren, die man nicht kennt. Als Sängerin bin ich das direkte Verbindungsglied zum Publikum. Nach Konzerten fürchtete ich mich früher häufig vor Konfrontationen und Kritik. Schließlich ist es nicht so, daß jedermann hurra schreit. Inzwischen habe ich da allerdings genug Selbstbewußtsein.«

Von schnellebigen Musikprojekten, die für eine Platte oder ein Video zusammengestellt werden, hält Patty wenig: »Ich bin da durchaus konservativ. Ich bewundere Leute, die konstant sind, das lieben, was sie tun, und dabei sie selbst bleiben. Das fängt schon beim Styling und der Kleidung an. Es ist traurig, daß heutzutage alles über Image läuft. Ich will meine Identität behalten und mag mich weder für die Bühne noch für ein Video verkleiden. Es ist unehrlich, und wenn man kein Gefühl zu sich selbst hat, kommt nichts Gutes dabei heraus.«

Auch private Eintagsfliegen haben bei Patty keine Chance. Small talk ist nicht ihre Sache, und auf Partys kann sie durchaus verzichten. Lieber geht sie ins Studio oder kümmert sich um ihre wenigen richtigen Freunde: »Ich glaube, man hat im Leben nur wenige wirklich tiefe Freundschaften, und die sind es wert, daß man sich Zeit dafür nimmt.«

Beziehungen sind für Patty ein schwieriges Thema, insbesondere da die Musik bei ihr an erster Stelle steht: »Im Moment hätte ich dafür keine Zeit. Es gibt nur wenige Männer, die sagen: Zieh dein Ding durch, ich steh' hinter dir. Irgendwann kommt immer die Frage: Und wo bleibe ich? Aber ich lebe schließlich nicht über einen Partner.«

Träumt sie davon, berühmt zu sein? »Ich finde es schon toll, daß ich vom Singen leben kann. Es macht mir nichts aus, viele Platten machen zu müssen. Ich finde das besser, als ein paar Hits zu haben und dann ausgebrannt zu sein, aber jeder Musiker, der sagt, er will nicht berühmt sein, lügt. Von der großen Karriere träumen sie alle, auch wenn sie es nicht zugeben. Aber ich glaube, daß Ruhm auch Verantwortung mit sich bringt. Ich bin keine Prophetin und fände es banal, konkrete Texte über das Waldsterben zu schreiben, aber Musiker oder Menschen in exponierter Stellung generell haben die Möglichkeit, Dinge zu bewegen. Insofern sollte man sich auch ganz klar zu Dingen wie Umweltzerstörung oder z.B. auch Neofaschismus äußern. Unsere Zivilisation leidet an Gleichgültigkeit, und ich möchte mir nicht irgendwann vorwerfen müssen, daß ich nicht versucht habe, etwas zu ändern. Von daher bin ich auch politisch.« Martin Schacht