: Bollerhandball der biederen Art
■ Die Bundesliga-Handballer von Blau-Weiß Spandau schlagen die Mannen aus Magdeburg mit 23:16
Berlin (taz) — Es ist schon etwas besonderes, reichlich mit Glück beschenkt zu werden. Oder, auf der anderen Seite, wenigstens ein wenig davon behalten zu dürfen. In der Handball-Bundesliga der Kerle trafen am Wochenende in Berlin zwei Mannschaften aufeinander, denen solches auf unterschiedliche Weise widerfahren ist.
Zum Beispiel die Gäste des Sportclub Magdeburg. In den letzten zwanzig Jahren der Spitzenverein des nunmehr nicht mehr existenten DDR-Handballs, mit elf Meistertiteln und zwei Europapokalen bei den Landsmeistern äußerst erfolgreich, schienen die Magdeburger dem drohenden Schicksal anderer Ost-Vereine wie Rostock, Leipzig, Frankfurt oder Berlin nicht entgehen zu können; der rücksichtslosen Abwerbung der besten Spieler durch die reichen und etablierten West-Vereine.
Doch beim SCM wurden ruhig und ohne chaotische Verhältnisse wie beim HC Preussen die Voraussetzungen für die erste Bundesliga geschaffen. Ein neu gegründeter Sponsorenpool aus meist mittelständischen Unternehmen erbrachte nicht nur genügend Geld, um die Teilnahme an der Bundesliga bezahlen zu können, für den Verbleib des Sportinternates blieb auch noch etwas übrig. Mit dem Erfolg, daß die Magdeburger A-Jugend den Meistertitel holte.
Selbigen verpaßten die Herren in der letzten Saison nur knapp gegen den VfL Gummersbach und für die neue Spielzeit orakelte nicht nur Uwe Janke, Trainer des letzten Gegners Blau-Weiß Spandau, daß der SCM „die einzige Mannschaft aus der alten DDR ist, die auch in der Bundesliga an der Spitze mitspielen kann“.
Mit Recht. Im letzten Jahr verließ mit Peter Pysall nur ein Spitzenspieler den Verein, alle anderen wie Holger Winselmann, Laisvidas Jankevicius und Thomas Michel blieben, aus Leipzig konnte sogar Nationaltorhüter Jens Kürbis geholt werden.
Mit Glück ganz anderer Weise wurde dagegen der Gastgeber der Magdeburger, Blau-Weiß Spandau, beworfen. Jahrelang wurstelten die Vorstädter aus dem Westen Berlins unauffällig in der zweiten Liga herum, bis sie vor wenigen Monaten gleichsam mit einer Erstligalizenz beschenkt wurden. Sie profitierten von der Unfähigkeit des HC Preussen aus dem Osten der Stadt, finanziell und organisatorisch einen bundesligatauglichen Verein zusammenzubasteln; als Folge schlossen sich die Preussen den Spandauern an, brachten die Lizenz und ein wenig Geld mit, bloß keine Spieler. Die hatten den letzten DDR-Vizemeister und Pokalsieger schon vorher schleunigst verlassen, neben einigen aktuellen Nationalspielern auch deren Kapitän Stephan Hauck. In ihrer Not bastelten die Spandauer eine verstärkte Zweitligamannschaft zusammen, die zu Recht nicht nur wegen ihrer geographischen Herkunft vor Saisonbeginn als Hertha BSC des Handballs gehandelt wurde; will sagen, der sofortige Abstieg schien klar.
Doch siehe, selig scheinen die spielerisch Armen, nach fünf Spieltagen steht Spandau einen Punkt hinter dem Ersten, die Magdeburger dagegen deren zwei hinter den Berlinern. Dazu hat sicherlich ihre Niederlage am Sonnabend in Berlin beigetragen, ebenso wie den Spandauern eine seltsame Heimstärke zu ihren Erfolgen verholfen hat.
In eigener Halle sind sie bisher ungeschlagen, und erreichten dies mit Handball der eher biederen Art. Die Magdeburger wollten dagegen spielerisch klare Akzente setzen, und konnten schnell mit 4:2 in Führung gehen. Vor allem mit einer sehr offensiven 5:1 Abwehr stellten sie die Spandauer Krafthandballer vor einige Probleme, hatten aber das Pech, ohne Torwart Kürbis auskomen zu müssen. Vertreter Gunar Schimrock hatte nicht seinen besten Tag erwischt, so daß selbst nicht sonderlich gefährliche Würfe ins Tor flogen.
Eben solchen schlechten Tag erwischten die Schiedsrichter, die den Magdeburgern viele angebliche Härten abpfiffen, was die Zahl der Siebenmeter belegt. Acht für Spandau, nur drei für Magdeburg, da dürften die Spandauer doch ein wenig ungehemter klammern, schubsen und in die Arme greifen. Sie taten dies so unablässig, bis die Magdeburger völlig aus dem Konzept kamen und nicht einmal ihre gefürchteten Konter laufen konnten. Diesmal also noch Glück für Spandau, doch die nächsten Gegner Kiel und Hameln werden zeigen, daß bieder Bollerhandball zu wenig ist für die erste Liga. Schmiernik
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