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Menschliche Schutzschilde gegen Terror

Die „Internationalen Friedensbrigaden“ feiern ihren zehnjährigen Geburtstag  ■ Von Ute Scheub

Berlin (taz) — Hut ab vor solch mutigen Menschen wie der Berliner Kunsthandwerkerin Heike oder dem Frankfurter Flüchtlingsbetreuer Björn. Die beiden Mitglieder der „Peace Brigades International“ kamen vor kurzem aus El Salvador beziehungsweise Guatemala zurück, wo sie als menschliche Schutzschilde für politische AktivistInnen arbeiteten, die Todesdrohungen erhalten hatten. Sie bitten deshalb darum, ihre Nachnamen nicht zu nennen — sie hätten genug Schwierigkeiten gehabt. Heike und Björn sind zum Bundestreffen des deutschen Zweigs der „Internationalen Friedensbrigaden“ nach Ost-Berlin gereist. Die Gruppe, die sich im März diesen Jahres als Verein mit Geschäftsstelle in Neuwied konstituierte, besprach am Wochenende ihre Planung für das nächste Jahr. Das heißt vor allem ein möglichst effektives Weiterführen ihrer Projekte in Guatemala, El Salvador und Sri Lanka. Daneben stand aber auch ein vergnügliches Verspeisen von Geburtstagskuchen auf dem Programm, um das zehnjährige Jubiläum der 1981 im kanadischen Grindstone Island gegründeten „Peace Brigades International“ zu würdigen. Genaugenommen aber ist die Idee einer Friedensarmee von Freiwilligen, die bei gewalttätigen Konflikten vermittelnd oder deeskalierend tätig wird, schon fast 70 Jahre alt, sie stammt nämlich von Mahatma Gandhi. Sein „Nachfolger“ Vinoba Bhava setzte sie 1957 mit der Gründung der „Shanta Sena“ um, die sich 1961 zu den „World Peace Brigades“ internationalisierten und sich unter anderem bei Märschen für die Unabhängigkeit Sambias und gegen den indisch-chinesischen Grenzkrieg beteiligten. Danach indes schlief die Idee wieder ein und wurde erst 1981 erneut aufgenommen.

Schon damals ging es den AktivistInnen um die Vermittlung strikt gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien in Ausbildungskursen und Seminaren — ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit bis heute. Doch bereits drei Jahre später, in der von blutigem Staatsterrorismus geprägten Realität Guatemalas, geriet der Schutz bedrohter Personen immer mehr in den Vordergrund. Nachdem zwei ihrer AnführerInnen ermordet worden waren, hatte eine Selbsthilfegruppe von Angehörigen Verschwundener namens GAM um Begleitschutz gebeten. Die BrigadistInnen sagten zu — und begleiten seitdem soweit wie möglich alle, die ihre Hilfe anfordern: Gewerkschafts-, Studenten-, Bauern-, Witwen-, Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen oder Einzelpersonen. Bislang ist niemand in der Gegenwart der als AusländerInnen erkennbaren und mit Fotoapparaten ausgerüsteten BrigadistInnen ermordet worden — bis auf die 22jährige Maria del Carmen Anavisca, die unter den Augen von Björn von der Polizei erschossen wurde. Der Frankfurter hatte im März diesen Jahres als internationaler Beobachter eine Landbesetzung begleitet, bei der 1959 vertriebene und seitdem landlose Bauernfamilien die Rückgabe ihrer Erde forderten. Am 11.März, berichtet er, „kam die Polizei in Mercedes-Wagen, einem Geschenk der deutschen Regierung, und eröffnete das Feuer“. Der Zeuge Björn wurde zur Ausreise gezwungen. Doch aufgrund der in- und ausländischen Informationsarbeit der Peace Brigades erfuhr der Fall eine für guatemaltekische Verhältnisse außerordentliche Wendung: Im April trat der verantwortliche Innenminister zurück, offiziell aus Gesundheitsgründen, und acht Polizisten, darunter die Einsatzleiter, wurden vom Dienst suspendiert. „Aber inzwischen“, sagt Björn besorgt, „ist wieder eine neue Terrorwelle vor allem gegen Gewerkschafter im Gange.“ Und seine Organisation sei zu klein, um alle Bitten um Schutz erfüllen zu können. Ein anderer Einsatz Ende Juli in El Salvador, so berichtet Heike, habe dem Ehepaar Zamora wahrscheinlich das Leben gerettet. Der Bruder des bekannten Oppositionellen Ruben Zamora und seine Frau waren wochenlang beschattet worden und baten schließlich einen Friedensbrigadisten um Begleitung. Am 25. Juli wurden alle drei auf der Straße verhaftet, doch schon auf der Polizeistation war die Verwirrung über die Anwesenheit des Ausländers spürbar. Die anderen Mitglieder des Peace Teams riefen währenddessen eine „Urgent Action“ aus: eine internationale Protestaktion per Telegramm, Telex oder Telefax. Binnen Stunden sind über das Netzwerk der Peace Brigades Tausende von Menschen in den USA, Kanada und Europa mobilisierbar. Das Ergebnis der schnellen Proteste: Die drei kamen innerhalb von 24 Stunden unverletzt frei. Auch im bürgerkriegsgeschüttelten Sri Lanka haben Friedensbrigadisten wohl schon Menschenleben gerettet. Im Februar 1990 mußte eine Mutter beobachten, wie ihr Sohn von zwei Polizeioffizieren entführt und ermordet wurde. Der Sohn war Richard de Zoysa, ein prominenter Journalist und Dokumentarist zahlreicher Menschenrechtsverletzungen im Lande. Die Mutter, Dr. Saravanamuttu, engagierte sich in der „Mother's Front“, einer Organisation von Müttern Verschwundener, und brachte den Fall bis vor die EG- Behörden. Die mutige Frau und ihr um Aufklärung bemühter Anwalt erhielten ebenfalls Todesdrohungen. Rund um die Uhr wurden sie deshalb von einem Peace Team begleitet. Alle diese Projekte harren auch 1992 der Weiterführung. Die deutschen Friedensbrigaden suchen deshalb noch engagierte Freiwillige, die gegen ein geringes Entgelt — die Organisation finanziert sich ausschließlich durch Spenden — ein halbes bis ein Jahr im Ausland arbeiten wollen.

Peace Brigades Deutschland, Engerserstr. 74a, W-5450 Neuwied, Tel. 0263-24529, Spendenkonto Nr. 20-105, Sparkasse Neuwied, BLZ 57 50 20.

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