piwik no script img

Verbot für türkischen Sender in Bremen?

■ Landesrundfunkrat plant Anhörung über TRT / Vorwurf: Verletzung der Meinungsfreiheit

Die Sendungen des türkischen Staatssenders „TRT International“, die in Bremerhaven empfangen werden können, geben ausschließlich die Meinungen der türkischen Regierung wieder, lassen andere Aussagen nicht zu Wort kommen, verstoßen gegen die Meinungsvielfalt und müssen möglicherweise verboten werden. „Erhebliche Bedenken“ gegen TRT äußerte jetzt der Rundfunkausschuß der Bremer Landesmedienanstalt, nachdem er das Programm hatte begutachten lassen. Denn die Verbreitung eines Programms, das einseitig einer Partei oder einer Weltanschauung dient, kann laut Landesmediengesetz, Paragraph 33, untersagt werden.

Zwei türkische und ein deutscher Soziologe von der Bremer Uni beobachteten den umstrittenen Sender. Sie stellten fest, daß TRT in zwei Wochen z. B. die Opposition des türkischen Parlaments nur zweimal zu Wort kommen ließ: Einmal, als sie einer erfolgreichen Bogenschützenmannschaft mit einem Telegramm gratulierte, das andere Mal im Rahmen einer Verfassungsdebatte, über die ansonsten ausführlich die Regierungsmeinung verbreitet wurde.

Wolfgang Schneider, Vorsitzender der LMA, gegenüber der taz: „Die TRT-Nachrichten sind bestimmt von Meinungshierarchie.“ Das heißt: Die Worte des türkischen Staatspräsidenten haben im Programm erste Priorität, Abweichendes kommt bestenfalls vor, wenn es widerlegt wird.

Umstritten ist TRT seit seiner ersten Ausstrahlung in Deutschland Anfang 1990. Doch in allen Landesmediengesetzen steht der „Weiterverbreitungsparagraph“, der jedes Programm zur Einspeisung ins Kabelnetz berechtigt, das in einem anderen Staat bereits zugelassen ist. „Daß dieser andere Staat im Fall von TRT die Türkei ist, die ein gespanntes Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit hat, bedurfte anscheinend keiner besonderen Klärung“, schrieb die „Zeit“ schon im November 1990.

Der Bremer Landesrundfunkausschuß der LMA hat beschlossen, am 8. November ein Anhörungsverfahren zu veranstalten, um zu klären, ob TRT weiter ins Bremer Kabelnetz einspeisen darf. Dazu werden Vertreter der türkischen Bevölkerung, des Veranstalters TRT und Rundfunkrechtler eingeladen. Daß jedoch TRT-Sendungen auch in Bremerhaven und Bremen über Satellit empfangen werden können, das kann auch die LMA nicht verbieten.

Den „Zielkonflikt“ in dieser Diskussion sieht auch Schneider: Denn die türkische Bevölkerung wird von den deutschen Medien unzureichend bedient: (Schneider: „Dieselbe Situation wie Anfang der 60er Jahre“). Andererseits hält er das Programm von TRT für unzulänglich.

In Hemelingen ist die Teestube des türkischen Sportvereins „Türkdanis“ an jedem Wochenende überfüllt. Über 100 Menschen sitzen dann zusammen und gucken Fernsehen. Die ungeteilte Aufmerksamkeit gilt TRT-International, empfangen per Satellitenschüssel. Ihre Antenne kostet über 5.000 Mark, was sich Privatleute selten leisten können. Ein türkischer Sportsfreund aus Hemelingen hält Verbote für Bevormundung: „Wir sind doch auch nicht blöde!“ Juan/S.P.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen