„Dies ist kein Versorgungsposten“

■ Interview mit der Bremer Ausländerbeauftragten Dagmar Lill über die Zentralstelle, deren Arbeit und Konzepte

Seit zwei Jahren gibt es in Bremen die „Zentralstelle für die Integration zugewanderter Bürgerinnen und Bürger“. Dagmar Lill, Vorsitzende des SPD-Unterbezirks West und beruflich früher als Abteilungsleiterin im Arbeitsressort tätig, leitet diese Zentralstelle.

Der SPD-Unterbezirk Bremen Ost hat Sie am Dienstag aufgefordert, das Konzept ihrer Zentralstelle öffentlich vorzustellen. Was für ein Konzept haben Sie denn?

Das Aufgabenspektrum ist ein sehr breites. Wir machen Einzelfallberatung in grundsätzlichen Fällen, Informations-und Öffentlichkeitsarbeit. Daneben fördern wir Initiativen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen und AusländerInnen vor Ort zu integrieren, und wir machen ressortübergreifende Planung.

Diese Initiativen sind von alleine entstanden und arbeiten sowieso. Was hat die Zentralstelle damit zu tun?

Also wir versuchen, Impulse zu geben, und wir haben Richtlinien entwickelt, unter welchen Voraussetzungen diese Initiativen von uns gefördert werden können. Es ist ja klar: Wir mit unseren sechs Leuten können die Arbeit für Bremen, Bremerhaven und Bremen-Nord nicht alleine leisten. Deshalb haben wir ein Multiplikatorensystem auch zu den Beiräten und Kirchen aufgebaut. Das hat sich positiv entwickelt.

Welche Dinge sind nur gelaufen, weil es die Zentralstelle gibt?

Da gibt es die interkulturelle Woche. Die konnten wir in diesem Jahr durch eine sehr intensive Vorarbeit viel öffentlichkeitswirksamer gestalten. Dann haben wir die Ausstellung mit den Schulkindern im Überseemuseum organisiert, eine weitere Ausstellung ist im Staatsarchiv eröffnet worden, stadtteilorientiert sind Aktivitäten gelaufen, auch gerade in Gröpelingen. Aber wir haben auch neue Felder eröffnet, Aufklärungsarbeit in Kindergärten und mit Schulklassen und Lehrergruppen betrieben. Wir sind an die Sportvereine gegangen, die sich bislang aus dieser Arbeit herausgehalten haben. Es haben multi-nationale Fußballturniere stattgefunden.

Die Einrichtung der Zentralstelle war ein Reflex auf den Wahlerfolg der DVU vor vier Jahren. Jetzt hat die DVU kräftig zugelegt. Zeigt das nicht Hilflosigkeit, die sich hinter der Einrichtung der Zentralstelle verbirgt?

Das Thema Ausländerpolitik und damit auch die Zentralstelle ist von der Politik seit Jahren vernachlässigt und nicht ernst genommen worden. Meine Kollegen und ich hatten damals bei der Konzeptionsbeschreibung der Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit die höchste Priorität zugedacht. Diese Vorschläge sind aus finanziellen Gründen zum Teil nicht umgesetzt worden.

Was war das konkret?

Wir waren der Meinung: Es muß professionelle, kampagnenartige Öffentlichkeitsarbeit organisiert werden. Will sagen: Große Plakataktionen, die positiv Stimmung machen. Das kostet Geld. Wir wollten entsprechende Videos erarbeiten, wir wollten ran an die ausländischen Profis des SV Werder und multinationale Freundschaftsspiele veranstalten. Ansätze, die in der Tat mehr Geld erfordern.

Kann man denn Leute, die aus sozialer Verzweiflung und weil sie sich allein gelassen fühlen DVU wählen, mit Plakaten gewinnen?

Die Öffentlichkeitsarbeit ist eine begleitende. Ressortübergreifende Arbeit gehört auch zum Aufgabenspektrum der Zentralstelle. Die läuft auch. Wir haben eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die den Auftrag hat, eine Planung vorzulegen. Dieses Konzept liegt als Entwurf vor.

Wenn man so eine Zentralstelle einrichtet, müßte ein solches Konzept doch vorhanden sein. Warum dauert das zwei Jahre?

Diese Konzeption ist mittel- und langfristig konzipiert und setzt sehr detaillierte Abstimmungsprozesse zu den Ressorts voraus. Diese Arbeit ist in der Tat aber auch unterbrochen worden, durch aktuelle Entwicklungen. Denn es gibt Politiker, die meinen, es sei unsere vorrangige Aufgabe, Krisenmanagement zu machen.

Hätte die Zentralstelle nicht lauter rufen müssen, um die Diskussion voranzubringen?

Wir haben uns nicht leise verhalten, sondern gegenüber den Ressorts ganz eindeutig unsere Meinung vertreten. Wir haben in Analysen aufgezeigt, daß es eine sehr einseitige Belastung bestimmter Ortsteile gibt. Da gibt es die meisten Arbeitsmigranten, die meisten Asylsuchenden und dazu die niedrigsten Sozialindizes. Wir haben da mal eine Grafik gemacht, um das plastisch aufzuzeigen. Und daraus haben wir die Forderung abgeleitet, daß es zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Neuzugewanderten kommen muß.

Noch einmal: Hätten Sie nicht früher und lauter Forderungen anmelden müssen?

Die Zentralstelle hat nicht die Kompetenzen, über den internen Bereich hinaus solche Forderungen aufzustellen. Wir sind auch einem Fachressort zugeordnet und führen interne Diskussionen und können jetzt nicht in anderen politischen Feldern eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit bestreiten. Wir haben das in die Arbeitsgruppe gegeben. Das war unser Stil. Wenn es um akute Belange bedrohter Ausländer ging, haben wir uns selbstverständlich an die Medien gewandt.

Welche Kompetenzen wünschen Sie sich in Zukunft?

Integrationspoliik ist eine ressortübergreifende Aufgabe. Deshalb ist die Zuordnung zu einem Ressort ein Konstruktionsfehler. Wir müßten freier agieren können. Und wir müßten den direkten Zugang zum Senat haben.

Der Zentralstelle wurde in der Vergangenheit immer wieder der Filz-Vorwurf gemacht. Motto: Hier wird eine SPD-UB-Vorsitzende abgefunden. Wedemeier sagt inzwischen selbst: „Der Filz geht hinunter bis in die Ämter.“ Fühlen Sie sich da angesprochen?

Als er Arbeitssenator wurde, hat der Bürgermeister mich gefragt, ob ich bereit sei, diese sehr, sehr schwierige Aufgabe zu übernehmen. Ich war ja im Arbeitsressort als Abteilungsleiterin Arbeitsmarkt- und Ausländerpolitik auch schon für Ausländerpolitik zuständig. Deshalb lag es nahe, daß Wedemeier auf mich zukam. Es kann gar keine Versorgung gewesen sein, weil ich bereits seit über 20 Jahren im öffentlichen Dienst bin und auch finanziell eine vergleichbare Position hatte. Und im Arbeitsressort hatte ich auch mehr Geld, um Initiativenförderung und Arbeitsmarktpolitik zu verfolgen. Leider ist durch die von Anfang an negativen Diskussionen letztendlich ein verkürzter Auftrag herausgekommen. Interview: Holger Bruns-Kösters