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Kleine haben Angst vor großer Koalition

■ SPD setzt mit Parteitagsbeschluß FDP und Grüne unter Druck / Ampelentscheidung heute abend

hier Karikatur

“Derzeit“ will die Bremer SPD keine Koalition mit der CDU. Eine Formulierung, die ihre Wirkung bei FDP und Grünen nicht verfehlt hat. Auf dem Landesparteiausschuß der FDP gestern abend sagte der FDP-Vorsitzende Manfred Richter laut Pressemitteilung: „Ich begreife die Ampel als Chance, nach zwanzig Jahren wieder einmal gestaltend tätig zu sein. Dies Innovationspotential sollte nicht zugunsten einer großen Koalition auf der Strecke bleiben.“ Und auch die Grünen waren sich gestern vormittag in ihrer Verhandlungskommission mehrheitlich einig, daß die Chancen einer Ampelkoalition „ausgelotet“ werden sollten. „Wir müssen uns sehr genau überlegen, ob man die Tür für eine große Koalition weit aufstoßen darf“, so Vorstandsmitglied Cecilie Eckler- von Gleich gestern nachmittag.

Auf einen gemeinsamen Beschlußvorschlag für die Landesversammlung konnte sich die Verhandlungskommission gestern allerdings noch nicht einigen. Die Landesversammlung wird heute abend entscheiden, ob die Grünen bereit sind, die Weichen auf Ampel zu stellen.

„Wir wollen nicht gegen die FDP ausgespielt werden“, fürchtet Eckler-von Gleich einen „Schulterschluß“ zwischen Wedemeier und dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Claus Jäger. „Plötzlich sind wir das fünfte Rad am Wagen.“ Deshalb diskutieren die Grünen, zunächst einmal Gespräche mit der FDP alleine zu führen, um die inhaltlichen Chancen für eine vierjährige Zusammenarbeit zu erkunden.

Mit Verärgerung registrieren die Grünen die ständigen Angriffe von Klaus Wedemeier auf

grüne Programmatik und Verläßlichkeit. Eckler: „So lassen wir uns nicht behandeln.“ Wedemeier setzte anscheinend auf einen „Schulterschluß“ mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Claus Jäger. „Plötzlich sind wir das fünfte Rad am Wagen.“ Jetzt seien auch SPD-Verhandler mit Rot-Grün-Vorliebe, wie der kommissarische SPD-Vorsitzende Isola, gefordert, um die SPD-Programmatik gegen Wedemeier und FDP zu verteidigen.

Auch 14 Tage nach der Wahl hat sich die FDP noch nicht dazu durchringen können, ihre Parteibasis zu einem Landesparteitag zu laden. Der Ampelkurs sollte gestern abend nach Redaktionsschluß im nichtöffentlich tagenden Parteiausschuß der FDP festgelegt werden. Doch die Stimmungslage ist klar. Neben den Fraktions- und Parteivorsitzenden Jäger und Richter setzt die Mehrzahl der Funktionäre auf Rot-Gelb-Grün. Senatorenaspirant Friedrich van Nispen möchte wie seine Parlamentskollegen Harald Neujahr, Peter Bollhagen und Annegret Pautzke „nüchtern und unbefangen die Möglichkeiten ausloten“, gegebenenfalls aber „erhobenen Hauptes aus den Verhandlungen herausgehen.“ Angesichts bröckelnder Mehrheiten für die großen Parteien könne ein Bremer Experiment zeigen, ob es langfristig Alternativen zur großen Koalition gibt.

Eher „abwartend bis skeptisch“ ist dagegen Fraktionskollege Neujahr, der mehr die „inhaltlichen Hürden“ in den Bereichen Verkehrs- und Wirtschafspolitik betont. Doch chancenlos sind auch für Neujahr Ampelgespräche nicht. „Es gibt ja nicht nur die Alternative, eine Straße zu bauen oder nicht. Man kann ja auch hochbauen oder tiefbauen.“

Derweil hat sich aus Bonn der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff mit seinen Bedingungen für die Bremer Ampel gemeldet. Die Bremer FDP müsse sicherstellen, daß eine solche Koalition im Bundesrat nicht gegen die Bundesregierung stimmt. hbk

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