: Großfahndung nach Kindeshändlern
■ Bislang vier Fälle von organisiertem Kindeshandel bekannt/ Französischer Drahtzieher von Interpol gesucht
Die Ermittlungen der Polizei wegen Verdachts des organisierten Kindeshandels und Kindesraubes laufen auf Hochtouren. In Berlin sind bislang zwei Fälle bekannt, wo die Kinder entführt worden waren, und zwei Fälle, wo die Tat durch das Eingreifen der Polizei verhindert werden konnte. Wie Polizeivizepräsident Dieter Schenk gestern auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz berichtete, befinden sich der einjährige Mate S. und die zweijährige Zuhra K. wieder bei ihren Eltern. Beide waren am Donnerstag morgen in dem Auto des 48jährigen Niederländers Ludovicus B. In der Nähe einer Wohnwagensiedlung an der Jafféstraße in Charlottenburg gefunden worden. Bei zwei weiteren Kindern sei es durch das schnelle Eingreifen der Polizei nicht zur Ausführung der Tat gekommen. Laut Schenk handelt es sich dabei um zwei Neugeborene, die aus einem Heim beziehungsweise Krankenhaus mit Zustimmung ihrer Mütter entführt werden sollten. Die Mütter, eine in Berlin lebende Rumänin und eine Jugoslawin seien vorläufig festgenommen worden, befänden sich inzwischen aber wieder auf freiem Fuß. Die Rumänin soll ihr Kind, das sich im Krankenhaus befand, weil es zu früh zur Welt gekommen war, bereits verkauft gehabt haben. Der Preis war Schenk nicht bekannt. Die Jugoslawin soll bei ihrer Festnahme verwirrt gewirkt haben.
Wie Schenk weiter mitteilte, konnte die Polizei inzwischen eines der Kinder identifizieren, deren Fotos am vergangen Donnerstag im Wohnwagen von Ludovicus B. gefunden wurden. Das Kind, das auf den 15 gefundenen Fotos viermal abgebildet sei, befinde sich noch bei seiner Mutter in Frankreich. Über das Schicksal der übrigen Kindern herrscht weiter Unklarheit. Neben dem inhaftierten Ludovicus B. gilt der franzöische Unternehmer Joseph C. als einer der Drahtzieher des organisierten Kindeshandels. Nach dem flüchtigen Mann wurde über Interpol eine Großfahndung eingeleitet.
Seit Beginn der Ermittlungen wurden 17 Personen festgenommen, von denen sich vier in Haft befinden. Die Vernehmungen der beiden Rumänen, die den kleinen Mate entführt haben sollen, ergaben Schenk zufolge, daß sie das Kind für 12.000 Mark an Ludovicus B. verkauft hätten. Über die weiteren »Kaufpreise« sei bislang nichts bekannt, ebensowenig wisse man, an wen die Kinder weiterverkauft werden sollten, hieß es. Fragen von Teilen der Presse, ob die Kinder möglicherweise für einen Organhandel oder Kinderpornographie mißbraucht werden sollten, wies Kriminalrat Aping entschieden zurück. Er bat darum, die Emotionen mit einer undifferenzierten Berichterstattung nicht noch weiter zu schüren. Polizeipräsident Schertz betonte in diesem Zusammenhang, daß die übrigen Landfahrer in der Jafféstraße nichts mit dem Kinderhandel von Ludovicus B. zu tun hätten. Auch die Presse trage Verantwortung dafür, daß die Bevölkerung keine falschen Schlüsse ziehe. Angriffe auf die Landfahrer in der Jafféstraße habe es zum Glück noch keine gegeben, die Polizei sei aber für den Notfall vorbereitet. plu
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen