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Özals Wahlkampf

■ Bomben auf kurdische Dörfer - Bonn regt sich zögerlich

Özals Wahlkampf Bomben auf kurdische Dörfer — Bonn regt sich zögerlich

Dem türkischen Präsidenten Turgut Özal steht das Wasser bis zum Hals. Alle Meinungsumfragen sehen seine Mutterlandspartei „Anap“ als klare Verliererin der Wahlen am 20. Oktober und erklärtes Ziel der Opposition ist es, Özal aus dem Amt zu jagen. Özal, der 1983 als ehemaliger Wirtschaftsmanager vor allem mit dem Versprechen angetreten war, das Land ökonomisch zu sanieren, bescherte der Bevölkerung stattdessen einen kontinuierlich sinkenden Lebensstandard und trieb die Klientelpolitik auf die Spitze. Die allgemeine Verarmung ist so weit fortgeschritten, daß Özal kaum darauf hoffen kann, seine Wähler auf diesem Gebiet noch einmal vertrösten zu können. In solchen Fällen suchen Politiker nach einem Befreiungsschlag. Özal stehen dafür nicht nur verbale Mittel zur Verfügung: Er hat sich für Napalmbomben auf kurdische Dörfer entschieden.

Stärke zu demonstrieren, militärische gar, ist immer ein Appell an den nationalen Chauvinismus auf den Özal nun hofft, weil er nichts anderes mehr zu bieten hat. Da die Kurden sich gegen Luftangriffe nicht wehren können und die Guerilla der PKK als Bösewicht hinreichend akzeptiert ist, um als Vorwand dienen zu können, ist das Risiko der Operation aus Özals Sicht denkbar gering. Tote Kurden gelten in der Machtwährung der Region sowieso als Kleingeld.

Wo aber bleiben die Architekten der neuen Weltordnung, die den Kurden im Irak eine Schutzzone versprochen hatten? Die wird nun nicht durch Saddam Hussein, sondern durch den eigenen Nato- Partner Türkei zusammengebombt. Ungerührt zogen die Amerikaner die letzten Soldaten der Kurdenschutztruppe zurück, obwohl die türkische Luftwaffe bereits demonstriert hatte, daß sie sich im Nordirak keinen Zwang antut. Bleibt der empörte Aufschrei in Europa, das allerdings bereits mit Jugoslawien überfordert scheint.

Eine Ausnahme macht das bundesdeutsche Verteidigungsministerium. Wenn die Türkei fortfahre, die Menschenrechte derart massiv zu verletzen, so der Staatssekretär der Hardthöhe, Henning, müsse die Einstellung der militärischen Ausrüstungshilfe geprüft werden. Nun bedeutet Prüfung ja noch nicht, daß tatsächlich in das komplizierte System der wechselseitigen Nato-Alimentierung eingegriffen wird — aber immerhin wird damit eine Fragestellung aufgeworfen, die die Bundesregierung bislang streng tabuisierte.

Eine erste wichtige Konsequenz gibt es allerdings, die Bonn ohne Mühe sofort umsetzen kann: Der Abschiebestopp für Kurden, der seit dem Golfkrieg gilt, ist Ende September ausgelaufen. Innenminister Schäuble konnte sich bislang nicht dazu durchringen, diese Regelung zu verlängern. Die Entscheidung sollte nun klar sein. Jürgen Gottschlich

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