: Banken: Die UdSSR ist nicht pleite
Zur Jahrestagung von Weltbank und IWF fordert die Deutsche Bank Überbrückungskredit für Sowjets ■ Aus Bangkok Thomas Bonk
Die Chefs der deutschen Großbanken haben am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Bangkok davor gewarnt, die Schuldenkrise in der Sowjetunion zu übertreiben. Die UdSSR sei nicht überschuldet und auch kein Umschuldungsfall. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, forderte allerdings, umgehend einen Überbrückungskredit von fünf Milliarden Dollar vorzubereiten, um für eine Liquiditätskrise der Sowjetunion gewappnet zu sein. Kopper nannte am Montag das G-7-Kommuniqué zur Sowjetunion ein ermutigendes Zeichen für ein gemeinsames Handeln der Industrieländer.
Bei einer ganzen Runde von Pressekonferenzen deutscher Banken in Bangkok wurde deutlich, daß Wertberichtigungen auf die nicht staatlich garantierten Kredite zum Jahresabschluß 1991 anstehen. Allerdings dürften Abschreibungen den Geldhäusern kaum schwerfallen, da sie im laufenden Jahr mit einem Bombengeschäft in Ostdeutschland vor einer neuerlichen Gewinnexplosion stehen.
Ebenso wie die sonstigen Treffen vor der heute beginnenden Vollversammlung von IWF und Weltbank beherrschte das Sowjetunion-Thema auch die Präsentationen von Deutscher Bank, Dresdner Bank, Commerzbank, Westdeutscher Landesbank und Bayerischer Vereinsbank. Bei Brunch oder Dinner in den Nobelhotels von Bangkok beklagten sich die Banker über die „Ratlosigkeit um uns herum“ und mahnten, die Sowjetunion nicht in ein „Liquiditätsloch“ fallen zu lassen und mit ängstlichem Zögern diese „historische Stunde“ zu versäumen.
Am entschiedensten trat Deutschbankier Kopper für einen Überbrückungskredit an die UdSSR ein. Dabei ginge es nicht einmal „um sehr viel Geld“. Die Banken wären gerne bereit, es zu beschaffen — aber nur gegen Bürgschaften ihrer Regierungen. Die West-LB sagte einen zusätzlichen Devisenbedarf der UdSSR auf dem privaten Kapitalmarkt voraus, bevor sie Vollmitglied im IWF wird und damit Zugang zu dessen Kreditinstrumenten erhält.
Kritik an den internationalen Finanzinstitutionen übte der Chef der Bayerischen Vereinsbank, Albrecht Schmidt. Die Industrieländer sollten nicht auf neue UdSSR-Daten warten, bis sie ein kurzfristiges Darlehen zusammentragen. „Die Sowjetunion hat ein Liquiditäts- und kein Solvenzproblem.“ Die Beschwichtigungen der Sowjets, daß die Auslandsbank sicher noch „ein bis zwei“ Monate flüssig sei, konnte die deutschen Banker jedenfalls nicht beruhigen. „Zwei Monate sind nicht gerade ein wahnsinnig langer Zeitraum“, sorgte sich Kopper.
Offen ließen er und seine Kollegen aber, wann der nächste große Brocken an sowjetischen Zins- und Tilgungszahlungen fällig sei. „Wir kennen die Fälligkeitsstruktur, aber darüber reden wir nicht in der Öffentlichkeit“, schwieg der DB-Chef. Andere Häuser gaben sich offener: Die Dresdner wußte, daß die UdSSR bis zum Jahresende noch vier Milliarden Dollar an ihre Gläubiger überweisen muß. Jährlich werden Rückzahlungen von 16 Milliarden Dollar fällig. Die West-LB hat hingegen ausgerechnet, daß die Sowjets bis Silvester noch elf Milliarden Dollar aufbringen müßten. Etwa ein Drittel der UdSSR-Verbindlichkeiten sei in Deutschland fällig, erklärte West- LB-Vorstandsmitglied Volker Undorf. Dazu gehörten auch vier DM- Auslandsausleihen über je 500 Millionen Mark, für die „kein Anlaß zur Sorge“ bestehe. Einig waren sich die Banker, daß die UdSSR ihre Schulden langfristig aus eigener Kraft bedienen könne.
Dresdner-Chef Wolfgang Röller warnte davor, die Folgen der UdSSR-Krise für die deutsche Wirtschaft zu überschätzen. Der Anteil der Exporte in die UdSSR betrage nur zwei Prozent der deutschen Gesamtausfuhren. Auch das Engagement der deutschen Banken sei mit ungesicherten Krediten in Höhe von 0,5 bis einem Prozent der Gesamtaktiva „keine relevante Zahl“. Commerzbank und West-LB gaben an, daß sie ihre ungesicherten Forderungen von „weniger als eine Milliarde Mark“ (Commerzbank) bzw. 700 Millionen Mark (West-LB) bislang noch nicht wertberichtigt hätten. Die traditionell konservative Deutsche Bank schwieg sich über ihre UdSSR- Positionen aus. Die Dresdner verkündete zumindest, Verluste miteinbezogen zu haben. Inzwischen gelten SU-Wertberichtigungen von 30 Prozent als angemessen.
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