: In der CDU und SPD rebelliert die Basis
■ Charlottenburger SPD diskutierte über Ausstieg aus der Koalition/ CDU Wilmersdorf will Diepgen als Parteichef abschießen/ Streitlust der SPD bereitet der CDU »Sorge«/ Momper profiliere sich mit Kritik
Berlin. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und seine sozialdemokratischen Senatskollegen kommen gut miteinander zurecht, und auch die beiden Fraktionschefs der großen Koalition, Ditmar Staffelt (SPD) und Klaus Landowsky (CDU), verstehen sich eigentlich prächtig. Doch an der Basis der beiden Regierungsparteien gärt es, würden manche Mitglieder gerne offen auf die ungeliebte Koalitionspartnerin losgehen.
In einer Kreisdelegiertenversammlung der Charlottenburger SPD beantragten einige Genossen am Freitag kurzerhand, die Koalition zu beenden, weil »fundamentale Probleme der Stadt« vom Senat »nicht oder nur unzureichend angepackt« würden. Viele Genossen hätten »die Sorge geäußert«, so der Kreisvorsitzende Rudi Kujath in einem Brief an den SPD-Landesvorsitzenden Walter Momper, daß »sozialdemokratische Zielsetzungen und Grundforderungen« in der CDU/SPD-Koalition »nicht zum Tragen kommen«.
Vor allem in der Wohnungs- und der Verkehrspolitik, so Kujath zur taz, habe er »Schwierigkeiten«, in der Senatspolitik die SPD-Positionen wiederzuerkennen. Die von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) geplante Aufhebung von Tempo 30 sei ebenso ärgerlich wie die von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) entfachte Debatte um die Durchfahrt durch das Brandenburger Tor. Mit den Sorgen der meisten Menschen hätten diese Diskussionen nichts zu tun.
Um eine Bilanz zu ziehen, verlangen die Charlottenburger Genossen nun einen Sonderparteitag ihrer Partei noch in der ersten Hälfte des kommenden Jahres. Dafür dürften die Sozis des Citybezirks auch Unterstützung aus anderen linken Kreisverbänden bekommen. Die Idee, eine Bilanz zu ziehen, werde in seinem Kreisverband sicher »auf große Gegenliebe treffen«, sagte der Schöneberger SPD-Abgeordnete Otto Edel gestern zur taz.
An der CDU-Basis, wo der Frust ebenfalls wächst, fordern einige Parteimitglieder sogar bereits den Kopf von Eberhard Diepgen. Er möge den Landesvorsitz abgeben, damit die Partei wieder mehr Profil gewinnen könne, beschloß die Wilmersdorfer CDU am Wochenende. »Der blasse Eberhard«, so die Parole des CDU- Abgeordneten Jürgen Adler, müsse die Parteispitze räumen.
Solche Forderungen lehnten Diepgen, Landowsky und der gesamte Landesvorstand der Christdemokraten am Montag zwar prompt ab. Karl-Joachim Kierey, der amtierende Generalsekretär, macht sich trotzdem offensichtlich Sorgen um das Erscheinungsbild der Stadtregierung. Die Konfliktstrategie der SPD, wie sie sich im Streit um Tempo 30 gezeigt habe, betrachte die CDU »mit einiger Sorge, die auch zum Ärger werden kann«, sagte Kierey zur taz. Die SPD verfolge offensichtlich eine »Dreifachstrategie«, argwöhnte der Generalsekretär. Während die Zusammenarbeit in der Senatskoalition »eigentlich ganz gut« funktioniere, schieße die oft rot-grün gestimmte SPD in den Bezirken quer. Für Unruhe sorge außerdem Parteichef Momper, »der nichts zu tun hat« und sich deshalb mit Kritik am Senat zu profilieren trachte. »Auf Dauer«, so Kiereys Warnung, werde die CDU das »nicht hinnehmen«. hmt
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