piwik no script img

The Best of the Empire

■ Zwei noch nicht gesendete Folgen »Mit Schirm, Charme und Melone« im Kino

Emma Peel war eigentlich gar nicht sexy — sie war, wenn schon: lüstern, aber sie hatte gediegenes Benehmen und John Steed an ihrer Seite, der war zwar schlüpfrig, aber das auf sehr gepflegte und stilvolle Weise.

John Steed und Emma Peel spielten die gediegene britische Version von Spion& Spion.

Es gibt ein Wort im Englischen, das sich gar nicht übersetzen läßt, weil die Eigenschaft oder Haltung, die es beschreibt, im deutschen Wesen gar nicht existiert. Diese Eigenschaft heißt Sophistication, und an der kann nur genesen, wer ein unabhängiger Geist ist.

»The Avengers« waren derart sophisticated, daß man sie schon als Lebenshilfe nehmen konnte. Mit Schirm, Charme und Melone transportierte die irgendwie über Bombennächte und wirtschaftliche Desaster hinweggerettete Lebensart des Empire ins alltägliche Fernsehen: die steife Oberlippe, den Alkoholismus, die Sorglosigkeit der oberen Klasse und die pure Lust — mal daran, bösen Buben ordentlich das Genick zu brechen (oder sie von fahrenden Eisenbahnzügen zu stoßen), dann wieder Vorfreude auf — immer nur das Eine.

Steed war der Profi und Emma die begabte Amateurin, die sich freudig in seine gefährlichen Abenteuer reinziehen ließ, weil sie den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hatte, als nur in öden Jet-set-Kreisen rumzusetten und ihrem Mann treu zu sein, dem verschollenen Piloten.

Steed kämpfte nicht etwa um den Erhalt des Empire: Wenn irgendwo die nationalen Interessen oder (schlimmer noch!) das Kapital in Gefahr war, tauchte Steed mit einer Flasche Champagner in Emmas Penthouse auf — oder schoß ihr mit Pfeil und Bogen eine Nachricht in den Badeschaum, die besagte: Mrs. Peel, wir werden gebraucht!

Meist hatten sie sich dann mit wildgewordenen Wissenschaftlern im Weltherrschaftswahn herumzuschlagen: Die benutzten so erfindungsreiche Waffen wie menschenverschlingende Pflanzen, künstliche Regenstürme, hypnotisierende Mikropunkte oder peilsendergesteuerte Kampfblechbüchsen. (Manchmal waren die Schlechten auch nur irgendwelche bösen Ausländer — oder verwirrte Okkultisten.)

John Steed und Emma Peel waren überzeugend exzentrische Persönlichkeiten, die sich ob ihrer sehr saloppen, souveränen und irgendwie ziemlich respektlosen Art sofort in jugendliche Herzen schlichen...: Mit John Steed — hatte man einen Konservativen auf seiner Seite!

Steeds Allzweckschirm, sein Bowlerhat und seine Nadelstreifen waren nur der typisch britische, nichts ausdrückende Konservatismus, der lediglich dafür sorgt, daß alles in seiner Ordnung bleibt, wenn schon das Empire zusammenbricht.

Emma Peels Kung-Fu-Anzüge gab's serienmäßig im Geschäft zu kaufen: die Avantgarde-Hosenanzüge (mit den vorzugsweise verwandten Farben Schwarz und Weiß, weil die im Schwarzweiß-Fernsehen besser zur Geltung kamen, und aus hautengen, aber sehr bewegungsfäigen Stretch-Jersey-Stoffen) wurden »Emmapeelers« genannt... Und natürlich gab es seinen Bentley und ihren Lotus auch als Spielzeugautos zu kaufen.

Emma repräsentierte die Zukunft Englands, während Steed the best of the Empire verkörperte: Tradition und den genießerischen wohlhabenden britischen Lebensstil. Seine Wohnung stand voll mit Familienerbstücken und erlesenen Antiquitäten (wie dem Schreibtisch aus dem 18. Jahrhundert und der gußeisernen viktorianischen Saftpresse). Er pflegte ein überaus kultiviertes Verhältnis zu Wein, Pferdefleisch und schönen Frauen. Ein Gentleman-Sportsmann, saß gut zu Pferde und machte eine angenehme Figur beim Polo. Außerdem konnte er mit allem, was irgendwie stockähnlich aussah, erfolgreich um sein Leben fechten: Dabei arbeitete er mit allen Tricks — fair oder unfair —, die einem englischen Gentleman im Notfall das Leben schützen.

Das durfte er, denn Steed hatte spektakuläre Zweikämpfe auf fahrenden Zügen zu überstehen, während Emma eher eine Etage tiefer in schlimme Situationen geriet — wie auf Eisenbahnschienen gefesselt zu werden, in Weinpressen eingesperrt oder in eine Rüstung verschlossen.

Aber mit der ihr eigenen englischen Mädchen-Wildheit aus der Vor-Carnaby-Street-Zeit wußte sie sich meist mit irgendwelchen typisch weiblichen Fähigkeiten zu retten: mit Heimtücke, schönen Augen oder ihrer eigenartigen Version von Kung- Fu-Karate-Ballett.

Das Sputnik-Kino zeigt zwei Folgen, die nie im deutschen Fernsehen gelaufen sind, obwohl sie bereits synchronisiert waren: Die Herren mit den grauen Anzügen fanden sie zu bösartig — und zu sexy!

In einer haben die beiden es unter anderem mit einem Zimmermann zu tun, der eine Arche baut, weil doch die Sintflut bevorsteht. In der nächsten steht Emma — halbnackt — einem Mann mit einer Peitsche gegenüber! (Häbä!)

Im übrigen erwartet den Kinobesucher bösartiges, aber sauberes Amüsement. Der Produzent hatte nämlich für die Serie gewisse Regeln erlassen: Zum Beispiel durfte in den Avengers kein Schwarzer und kein Armer auftreten, denn das hätte die soziale Realität ins Spiel gebracht, und die Stärke der Avengers war, daß sie weit, weit jenseits aller Realität herumtollten.

Außerdem werden grundsätzlich keine Frauen umgebracht, und etwas so Vulgäres wie Blut gibt es bei Steed und Peel ebenfalls nicht zu sehen. Als Emma Peel nach Folge 51 ihren Kumpel Steed verließ, gab sie der Nachfolgerin als Tip auf den Weg: »Er trinkt den Kaffee gegen den Uhrzeigersinn gerührt!« Laf Überland

Im Sputnik Wedding um 20.45 und 23 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen