: Amtsschimmel vögelt
Magdeburg (taz) — Prostitution gab es im Sozialismus nicht. Es sei denn, es ging um Informationsbeschaffung mit Körpereinsatz. „Nibes“ — Nutten im besonderen Einsatz (Original Stasi-Jargon) — durften im Dienst von Mielke und Konsorten in den Interhotels gegen Bares nicht nur Augen und Ohren auf-, sondern auch die Beine breitmachen. Nach der Wende blüht jetzt das Geschäft mit dem Körper. Und weil jedes Geschäft sein gesetzliches Regelwerk braucht, wurde Sachsen-Anhalts Landesregierung in dieser Woche schwer aktiv.
Das wäre ja noch schöner, wenn die Damen des horizontalen Gewerbes ihrem Beruf überall dort nachgehen könnten, wo sie es wollen. Um das zu verhindern, hat das Magdeburger Kabinett jetzt einen bürokratischen Kraftakt geleistet und einen Entwurf verabschiedet. Genauer: den „Entwurf einer Verordnung über die Zuständigkeit für den Erlaß von Rechtsverordnungen über das Verbot der Prostitution“.
Diese Verordnung erhebt die drei Bezirksregierungen von Sachsen- Anhalt zu Wächtern über Sitte und Moral. Nur im Sinne der gewissen Damen selbst, versicherte Regierungssprecher Gerd Dietrich ganz ernsthaft. Kaum auszudenken, wenn jedes Gemeindebürgermeisterlein in seinem Kaff ausgerechnet das älteste Gewerbe der Welt völlig verbieten dürfte. Diese Bürgermeister sind ab sofort nur noch für die Gebäude zuständig, in denen dieses Gewerbe ausgeübt wird. Also ganz unbürokratisch gesagt: für den Puff. Mit allem, was darunter oder darüber liegt, Straßenstrich also oder Callgirl-Appartements, haben die Kommunalchefs künftig nichts mehr zu tun. Denn schließlich sind solche Dinge ja gesetzlich verboten. Und was nicht verboten ist, ist nach Ansicht von Regierungssprecher Dietrich zumindest in engen Grenzen irgendwie erlaubt.
Diese Grenzen sollen jetzt also die Bezirksregierungen ziehen. Und was anschließend außerhalb dieser Grenzen liegt, heißt zu gut deutsch einfach Sperrbezirk. Nun muß man nicht gerade vom „Skandal“ in demselben sprechen, aber der Begriff Sperrbezirk — das ist der Landesregierung von Sachsen-Anhalt wohl zu umgangssprachlich — oder gar obszön? Eberhard Löblich
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