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Nichts ist ewig — außer der 501!

■ Die Jeansfirma Levi's stellt sich im Tempodrom aus / Von Latzhosen bis Blümchenjeans

Die Sache muß ungefähr so abgelaufen sein: unendliche Weiten, tiefer Schlamm, rauhe Männergestalten. Schweißgeruch. Noch etwas benommen von der langen, beschwerlichen Schiffsreise betritt der junge Levi Strauss 1853 kalifornischen Boden, Goldgräberboden. Unter dem Arm trägt er einen großen Ballen französischen Zeltstoffes, mit dem er gute Geschäfte zu machen gedenkt. Kaum aber hat das tapfere Schneiderlein seinen kleinen Handelsladen eröffnet, da rotten sich die Goldgräber der Umgebung vor seinem Geschäft zusammen und rufen mit der Wut der Verzweifelten die legendären Worte: »Wir brauchen Hosen!« »Nun,« sagt sich young Levi Strauss, »den Leuten kann geholfen werden!« Greift zu seinen unverkäuflichen Wagenplanen, erinnert sich rasch an die italienischen Matrosenhosen, die er bei seiner Einschiffung in Genua gesehen hatte, und schneidert dem vor seiner Tür tobenden Mob flugs die gewünschten robusten Halboveralls, die »Genueser«. Das kann natürlich in der neuen Welt kein Cowboy aussprechen und eins, zwei, drei sind die »Jeans« geboren. Voller Stolz tritt Levi Strauss vor die Tür seines Ladens, spannt die Denimhose zwischen zwei kräftige Gäule, macht vor staunendem Publikum die (Zerreiß-)Probe aufs Exempel und verkauft fortan seine Jeans mit einem angenähten braunen Wachstuchgutschein, der jedem Käufer eine neue Nietenhose verspricht, wenn der es schafft, eine Levis-Jeans von zwei Pferden zerreißen zu lassen. Levi Strauss starb als reicher Mann, der Verbleib der beiden Pferde ist nicht überliefert.

Die Jeans aber, deren Erfindung das Denim-Imperium Levi's inzwischen ausschließlich für sich beansprucht, hat sich wahrhaftig als unverwüstlich erwiesen. Als Urlaubsmitbringsel aus dem fernen Süden hielt sie in den 30er Jahren Einzug in die US-Großstädte der Ostküste, zusammen mit den GIs, dem Kaugummi und Coca-Cola wurde sie im Nachkriegseuropa zum Exportschlager der neuen Welt. Später Inbegriff von Freiheit, Individualität und Rebellion, mußte die Jeans sich bemalen, zerreißen und beschimpfen lassen und gab sich in den 70ern, zum Designer-Objekt verkommen, vorübergehend der Mode-Prostitution hin. Mitte der 80er besann sich die legendäre Freizeithose — schlußendlich? — dann wieder ihrer ursprünglichen Wurzeln. Back to the roots, back to Levi's (sprich neuerdings: lieweis!).

Und weil die »Blue Jeans« eigentlich keine Hose, sondern schon lange eine Einstellung ist, wird sie inzwischen auch als solche beworben, verkauft und geliebt. Diesem Marketing- Trend folgend, den Levi's 1986 mit der »501« losgetreten hat, öffnet heute eine Blue-Denim-Werbeausstellung der Superlative im Tempodrom ihre rot-blauen Denimzelttore. »Blue Times — the Levi's Story«.

Hier wird endlich einmal der »Jeans an sich« ein überdimensionales Denkmal gesetzt, dem Kult der Tradition gefrönt. Da wird die Arbeitslatzhose vorgeführt, mit der wackere Pioniere daeinst die US-Eisenbahn erbauten, die erste 501, noch mit Hosenträgerschlaufen, und auch die Bell-button-Flower-Power- Blümchenjeans kann bestaunt werden. — Dann geht es endlich wirklich los, ab in den Time-Tunnel, die Zeitreise kann beginnen! Über feinen Südstaatensand mitten rein in den mit Pappmaché-Kuh und Rindsledersattel bestückten Wilden Westen. Hier durchwatet der interessierte Zeitreisende gleich Dodge-City und Bonanza in einem, aber — die Jeans macht's möglich — schon einen Hufschlag davon entfernt erwarten ihn bereits old Jimmy Dean und die anderen Rebellen. In Form einer Ton-Dia- Show versteht sich, denn die Kunst der Reinkarnation ist selbst Levis bisher noch verschlossen geblieben.

Ein »Misfits-Kinosaal« mit harten 50er-Klappstühlen, ein echter Drive- In mit Ami-Schlitten und Pick-up, und schon weht den Besuchern der zarte Duft von Patchuli und Flower- Power um die Nase. Auf der antiseptisch-grünen Wiese der Blumenkinder endet dann für die Austellungsmacher auch schon die Vergangenheit. Gegenwart, das ist für das Trend-Set- Unternehmen Levis wohl immer noch Disco-Beat, Designer-Stuhl und natürlich der legendäre Suburb, der die alte 501 zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Ein Verkaufsschlager.

»Aber was«, fragen sich die Kids, die eben noch durch die Geschichte ihrer Dylan-Eltern stolperten, »was kommt eigentlich danach?» Auch die Frage aller Fragen findet im Tempodrom endlich eine Antwort: Natürlich schön, aber eben anders wird es sein. Und so wartet der dann doch noch etwas überraschte Zeitreisende durch knöcheltiefe Hydrokultur an kreisrunden Ufos und Riesentulpen — also doch Tschernobyl? — vorbei ins Freie. Nichts ist eben ewig, außer vielleicht der 501.

Wem das alles noch immer nicht genug Disney-World und »Jeans- Feeling« ist, der kann sich übrigens gleich nebenan im Haus der Kulturen der Welt unter fachkundiger Anleitung von Manfred Salzgeber (Filmfestspiele Berlin) und Jürgen Brüning (Kinemathek), auf Kosten des Hauses Levis und bis zum Abwinken noch einmal alle »Jungen Rebellen« der »Fifties« auf Zelluloid und im Original-Slang anschauen und -hören. Die satten Gewinne machens möglich: Für zwei rebellische Wochen ist dort Marlon Brando noch einmal der Wild one, Marylin und die Glorreichen Sieben tanzen zusammen den Jailhouse Rock und misfit Jimmy Dean bleibt selbst noch nach 30 Jahren Himmel der Rebel without a cause. Natürlich in einer Blue Jeans von — na, Sie wissen schon...! Klaudia Brunst

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