piwik no script img

KOMMENTAREKein Hilfsgeld ohne Bürokratie

■ In den Augen kapitalistischer Ökonomen bleibt die Ukraine ein Teil der UdSSR

Auch wenn gerade die westlichen der Sowjetrepubliken es nicht wahrhaben wollen: In den Augen kapitalistischer Ökonomen gelten sie trotz aller politischer Unabhängigkeitsbestrebungen weiter als Teil der UdSSR. Je länger sie brauchen werden, sich auf neue — wie auch immer geartete — Wirtschaftsstrukturen zu einigen, desto schwieriger wird es für jede einzelne werden, Geld von den Industriestaaten für den Aufbau der Marktwirtschaft einzuwerben. Und gerade der Vertrag über die Wirtschaftsunion gilt den Weltwährungsorganisationen und den Regierungen der G-7-Staaten als Basis, auf der neue Strukturen aufgebaut werden sollen. Das hat sich auf der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank diese Woche in Bangkok klar gezeigt.

Nicht von ungefähr anvancierte der Ökonom der Zentrale, Grigori Jawlinski, zum Star der dort versammelten Hochfinanz: Er versprach die weitere Bedienung der Auslandsschulden durch die Moskauer Außenwirtschaftsbank und präsentierte die Zentrale als einigermaßen funktionsfähig und somit als Ansprechpartnerin. Auch wenn beispielsweise die Ukraine noch so gute Gründe haben mag, der Wirtschaftsunion in ihrer jetzigen Form nicht zuzustimmen: Die IWF-Experten werden sich zuerst an die Republiken halten, die der Wirtschaftsunion beigetreten sind — so sie zu diesem Beitritt auch tatsächlich stehen und den Vertrag erfüllen. Schon für die anstehende Analyse der tatsächlichen Wirtschaftsverhältnisse wird der IWF über jede irgendwie definierte Reststruktur dankbar sein.

Die Strategie des IWF, die überall auf der Welt auf Sanierung des Staatshaushalts und Orientierung der Wirtschaft auf den Export abzielt, wird im ersten Schritt die größte Strukturkrise der Welt bewirken. Wie lange es dann dauern wird, bis die Wirtschaft anfängt zu wachsen, wird nicht zuletzt von Investitionen privater Unternehmen aus den westlichen Industriestaaten abhängen. Denn auf Milliardenbeträge, wie sie zum Umbau der Wirtschaft aus dem Bundeshaushalt in die ehemalige DDR fließen, kann die Sowjetunion (oder ihre Republiken) genausowenig hoffen wie Polen. Und westliche Kapitalisten halten sich mit Investitionen solange zurück, bis eine halbwegs funktionierende Bürokratie existiert — wie sich ebenfalls in den neuen Bundesländern zeigt.

Wichtiger als die Prosperität der vergleichsweise kleinen Ukraine wird dem IWF, dessen mächtigstes Mitglied die USA sind, allemal die Stabilität Rußlands und der Wirtschaftsvertragsunion sein: Dort lagern schließlich die meisten der sowjetischen Atomwaffen. Donata Riedel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen