: Alle Flüchtlinge in Verbrecher-Datei
■ Bremer Datenschützer kritisiert rechtswidrige Praxis der Ausländerbehörden
Spätestens seit Mitte dieses Jahres werden alle AsylbewerberInnen und viele andere AusländerInnen in Deutschland wie schwere Kriminelle behandelt. Entgegen allen gesetzlichen Vorschriften müssen sie sich Abdrücke der zehn Finger und sogar der Hand abnehmen lassen, die zentral vom Bundeskriminalamt in der Verbrecherdatei „INPOL“ gespeichert werden. Als „Stigmatisierung und Kriminalisierung aller Ausländer“ kritisierte am Wochenende der Bremer Datenschutzbeauftragte Sven Holst diese Praxis und forderte eine sofortige strikte Trennung von polizeilichen und ausländerrechtlichen Daten.
Nachdem 1990 bereits für einige Nationalitäten die regelmäßige Durchführung einer Erkennungsdienstlichen (ED-)Behandlung bei der Beantragung von Asyl festgelegt worden war, hatte die Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder diese Praxis auf alle AsylbewerberInnen ausgeweitet. Extra zu diesem Zweck wurde Anfang Mai auch die Einführung einer automatisierten Fingerabdruck-Speicherung (AFIS) beschlossen.
Bereits im Sommer hatte der Bremer Datenschutzbeauftragte seinen Kollegen im Bund auf diesen illegalen Beschluß aufmerksam gemacht und auch vom Bremer Innensenator die sofortige Beendigung der Fingerabdruck- Speicherung gefordert. Reaktionen hat er bisher auf seine Briefe nicht bekommen.
Dabei verstößt die ED-Behandlung nicht nur gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel, sondern eindeutig gegen den Wortlaut des Asylverfahrens- und Ausländergesetzes und steht auch noch im Widerspruch zu dem vom Bundesverfassungsgericht festgestellten „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“. „Dieses Recht gilt grundsätzlich auch für Ausländer uneingeschränkt“, erklärte Datenschützer Holst, „auch in Zeiten, in denen der politische Druck wächst und die Zahlen der Asylantragsteller rapide steigen.“
Die ED-Behandlung der AusländerInnen und aller AsylbewerberInnen sei auch nicht mit der Notwendigkeit einer eindeutigen Identitätsfeststellung zu begründen, stellte Holst fest. Denn dafür sei ein einziger Fingerabdruck ausreichend. Abdrücke aller zehn Finger und des Handballens dürften dagegen nur von Schwerverbrechern genommen werden, um Spuren bei Gewaltverbrechen identifizieren zu können.
Ein weiterer eklatanter Verstoß gegen den Datenschutz sei es zudem, daß die Fingerabdrücke der AsylbewerberInnen von Polizeibeamten genommen wurden. Aus gutem Grund sei auch bei der Volkszählung auf den Einsatz von Polizisten als Zähler verzichtet worden. In Bremen wurde zumindest dies inzwischen eingesehen. Im Ausländeramt an der Pfalzburger Straße wird die ED-Behandlung jetzt von zwei Raumpflegerinnen durchgeführt.
Die Bremer Zuarbeit zu der BKA-Datei INPOL war bereits in der Vergangenheit kritisiert worden. Es hatte sich herausgestellt, daß über 100.000 der rund 500.000 BremerInnen dort als Verbrecher gespeichert worden waren. Dirk Asendorpf
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