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„Stählerne Mauer“ um Tibet

■ Unstimmigkeiten zwischen der Führung in Peking und in Tibet/ Peking will alle Parteifunktionäre in Tibet überprüfen/ Dalai Lama spricht von „explosiver Lage“ und bietet an, unter bestimmten Bedingungen in seine Heimat zu reisen

Berlin (taz) — Besorgt über die Situation in Tibet zeigt sich die chinesische Regierung. Denn trotz unnachgiebiger Härte gegen die tibetische Opposition mehren sich die Anzeichen für eine zunehmende Militanz und Bandbreite der Opposition.

In einem Bericht der chinesischen Verwaltung in Tibet wird zum ersten Mal eingeräumt, daß es Unstimmigkeiten auch zwischen der Führung in Peking und Tibet gibt. Leitende Parteifunktionäre hätten mittlerweile dem Marxismus abgeschworen und seien Buddhisten geworden, meldet 'afp'. Chinesische Genossen, die die Unabhängigkeitsbewegung unterstützen, müßten „ausgesondert“ werden. Alle Funktionäre in Tibet sollten daher überprüft werden. Auch westliche Kräfte versuchten, die Partei zu unterwandern. Notwendig sei daher eine „stählerne Mauer des Marxismus“.

In einer Rede vor StudentInnen der amerikanischen Yale Universität am 9.Oktober sprach der spirituelle und politische Führer des tibetischen Widerstands, der Dalai Lama, von einer „explosiven Situation“ in Tibet. „Die Spannung verschärft sich angesichts der von China betriebenen demographischen Expansion, die die tibetische Bevölkerung zu einer Minderheit zweiter Klasse in unserem Lande macht“, erklärte er. „Die brutale Unterdrückung der Tibeter führt zu einer zunehmenden Polarisierung. Ich habe die größte Befürchtung, daß es in dieser explosiven Situation zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt.“

Angesichts der Weigerung der chinesischen Regierung, sein 1987 gemachtes Angebot zu akzeptieren — der Dalai Lama hatte damals auf eine völlige Unabhängigkeit verzichtet und nur innere Autonomie gefordert —, zog der Dalai Lama diesen Vorschlag nun zurück. Statt dessen wolle er selbst nach Tibet fahren, um den Ausbruch von Gewalt unter den zunehmend ungeduldiger werdenden jungen TibeterInnen zu verhindern. In seiner Rede mit dem Titel „Den Feind umarmen“ erklärte er seinen Wunsch, die Situation in Tibet selbst beobachten zu wollen. Dabei sollten, so sein Vorschlag, hohe Persönlichkeiten aus Pekings Führung ihn begleiten. Außerdem solle sich die internationale Presse seiner Visite anschließen.

Am Tag nach der Rede des Dalai Lama kam die ablehnende Antwort aus Peking prompt und unmißverständlich. Begründung: „Zuerst muß der Dalai Lama seine Aktivitäten einstellen, die auf eine Spaltung Chinas und einer Schwächung der Einheit unserer Nationalitäten abzielen“, erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministers. Peter von Stamm/li

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