„Gib Küßchen“

■ Ruck Zuck: die 1000. Sendung, Tele 5, Sonntag, 20.15 Uhr

Vorbei sind die Zeiten, da man in Quizsendungen die Uhr ablaufen hörte, die Kandidaten Bedenkzeit erbitten konnten, ein Kulenkampff alle Zeit der Welt hatte und dies seinen Gästen auch vermittelte. Die Zukunft gehört den Spielshows, und hier regieren Menschen, die ansonsten auf der Straße säßen — als Schlepper für zwielichtige Etablissements wohl gar. Einer davon ist Werner Schulze-Erdel, Populist von Gnaden des Privatsenders Tele5 und künftig bei der Konkurrenz RTLplus beschäftigt, hinter den Kulissen gern ein wenig hochmütig, vorne das Maschinengewehr des Spielgottes.

Er ist fürwahr ein Phänomen. Nach Art eines Gummiballs hüpft und schnellt er dynamisch aus der sicheren Deckung auf die Bühne, begrüßt mit den Armen rudernd und fuchtelnd das Publikum, wie er überhaupt nachgerade jede einzelne Silbe mit grobmotorischen Gesten und expressionistischen Gesichtsentstellungen unterlegt. Er sticht mit manikürten Spitzfingern in die Kamera, hebelt mit den Ellenbogen, wirft die Faust und drischt auf einen imaginären Gegner ein. Dann wieder hebt er den vom weiten Beinkleid umspielten Schenkel, als wolle er nach Hundemanier sein Revier markieren. Er schlenkert und zeigt und deutet, er hopst und wippt und springt wie aufgezogen, kurz, der Mann ist ein Wunder an Bieg- und Schmiegsamkeit.

Nicht nur das, er redet auch noch während des Konditionstrainings. „Gib ihnen auch noch ein Küßchen“, raunzt er die ihm zur 1000. Sendung spendierte Assistentin an, was diese — recht so, Tina! — trotzig verweigert.

„Musik aus, ruckzuck die Kopfhörer ab, schnell!!!“ bellt er feucht in Richtung seiner Kandidaten, die ihrem Peiniger eingeschüchtert aufs Wort folgen. „Bleiben Sie dran“, fleht er inniglich vor der Werbung und wringt die Finger, daß man schier Angst bekommen möchte um die zarten Gelenke.

Das Saalpublikum aber johlt, schnappt gar über vor Begeisterung angesichts der ungebremsten Gutgelauntheit seines Idols, enthusiasmiert gehorcht es seinem Wunsch nach Beifallskundgebungen, denkunfähig verfolgt es das turbulente Getobe und Getue und Gelärme auf der quietschbunten Bühne dort unten.

Ekstase und Raserei brechen vollends aus, wenn Anzüglichkeiten geäußert werden; lustvolle Juchzer und schrille Freudenschreie erfüllen dann die schwül-heiße Studioluft. Man weiß bei Tele5, was Volkes Willen ist und bedient ihn promtestens mit Ratebegriffen wie „Po“ und „BH“. Heißa, so macht das Leben Spaß. Herr Dittmeyer