: Erstes Ampelsignal: Haushaltsnotstand
■ SPD, Grüne und FDP durchqueren in angenehmer Atmosphäre das Tal der Tränen
Konturen einer AmpelFoto: Jörg Oberheide
Es sei „in angenehmer Atmosphäre verhandelt worden“, versicherten Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD), der Grüne Ralf Fücks und der FDP-Fraktionsvorsitzende Claus Jäger einstimmig. Nach dem ersten Verhandlungstag über eine künftige Koalition aus den drei „Ampel“- Parteien zeigten sich die Verhandlungspartner zuversichtlich über eine gemeinsame Regierung.
Die große Einigkeit, die gestern nach der ersten Runde demonstriert wurde, läutet einen hanseatischen Sparkurs ein, der einzigartig in der Geschichte eines Bundeslandes sein dürfte. Finanzsenator Grobecker hatte der Versammlung erläutert, daß im Haushaltsjahr 1993 die Landesschulden mit 140 Millionen Mark über der Investitionssume liegen
würden. Das ist nach der Bremer Landeshaushaltsordnung und nach dem Grundgesetz nicht erlaubt.
Bürgermeister Wedemeier wollte zwar nicht gleich „den Rasenmäher“ einsetzen, kündigte aber drastische Einsparungen im Personalwesen und bei Sachleistungen an. Aus eigener Kraft, so betonte Wedemeier, sei Bremen aber nicht zu retten: „Wir brauchen eine Teilentschuldung, um die Zinskosten zu senken, und mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich.“
Der grüne Verhandlungsführer Ralf Fücks beschrieb die Verhandlungen als „Abenteuer mit offenem Ausgang“. Er akzeptiere die Haushaltslage Bremens als Grundlage für die zu bildende Regierung, und trat dafür ein, den „Bürgern die volle Wahrheit über
das Ausmaß der Krise“ nahezubringen. „In einer solchen Situation hat es keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden“, argumentierte Fücks für einschneidende Einsparungen bei den konsumptiven Haushaltsausgaben (vgl. auch Kasten unten).
FDP-Fraktionschef Jäger zeigte sich mit der ersten Runde der Koalitionsverhandlungen erstaunlich zufrieden. „Es lohnt sich, weiter zu machen“, erklärte er. Die Parteien hätten den finanziellen Rahmen, den der Finanzsenator vorgegeben habe, akzeptiert. „Mehr war am ersten Tag nicht zu erwarten.“
Jäger deutete jedoch an, daß er eine Beteiligung der FDP an der Regierung nur dann unterstützen werde, wenn Bremen die 140 Millionen Mark Differenz zwischen Schulden und Investitionen im Gesamtumfang einzusparen gewillt ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß gleich der erste Haushalt dieser Regierung verfassungswidrig sein soll“, erklärte er. Es müsse zum Zeitpunkt der Regierungsbildung absehbar sein, daß der Haushalt die vorausberechnete Differenz einspart.
Diese Nüsse und noch einige mehr müssen die Verhandlungskommissionen ab nächsten Montag und dann an sechs weiteren Terminen knacken. Der Vorsitz der jeweiligen Runde rotiert. In der Redeliste heißt es immer schön abwechelnd: SPD, Grüne, FDP. Mögliche Konflikte kündigten sich bereits gestern an, als der grüne Ralf Fücks eine Grundwassernahmegebühr und Steuern für die Versiegelung von Flächen forderte, um den Bremer Einnahmetopf zu füttern. FDP-Chef Jäger konterte: „Wir werden alles unterlassen, was die Ansiedlung von Gewerbe verhindert.“
Bis Anfang Dezember wollen die drei so weit sein. Die Bürgerschaft, die am 11. Dezember zusammentritt, soll den neuen Senat dann wählen. mad
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