: Todesstrafe als US-Wahlkampfthema
(ap/taz) — Nach dreitägigen erbitterten Debatten hat das US-Repräsentantenhaus am Dienstag der von Präsident Bush geforderten Ausweitung der Todesstrafenpraxis zugestimmt. Danach sollen künftig im Bundesstrafrecht mehr als 50 weitere Straftatbestände mit Todesstrafe bedroht werden, darunter grob fahrlässige Tötung und Rauschgifthandel im großen Stil. Das in namentlicher Abstimmung mit 305 gegen 118 Stimmen gebilligte Paket muß noch mit einem ähnlichen Entwurf des Senats in Einklang gebracht werden, bevor es Bush zur Unterzeichnung vorgelegt wird. Amnesty International (ai) hat den USA gestern erneut vorgworfen, sich über internationale Menschenrechtsabkommen hinwegzusetzen. „Die Todesstrafe“, so ai- Sprecher Karsten Lüthke, „ist eines zivilisierten Staates unwürdig.“ Den Beschluß des Repräsentantenhauses bezeichnete Lüthke als „besonders zynisch“, zumal gleichzeitig eine spürbare Verschärfung der Waffengesetze in den USA tunlichst vermieden würde.
Auf die aktuelle Urteilspraxis wird der Beschluß vorerst kaum Auswirkungen haben, da die Strafgerichtsbarkeit in erster Linie Angelegenheit der einzelnen Bundesstaaten ist. In mehr als 30 Staaten müssen zur Zeit über 2.500 wegen Mordes Verurteilte mit ihrer Hinrichtung rechnen. Auch der Oberste Gerichtshof der USA hat die Todesstrafe bislang nur bei Mord für verfassungskonform erklärt. Lüthke befürchtet jedoch, daß die neue konservative Mehrheit des Gerichts einer Ausweitung der Delikte zustimmen könnte. Nicht auszuschließen ist, daß nun auch die Parlamente der Einzelstaaten die Liste der Straftaten verlängern, für die ein Todesurteil verhängt werden kann.
Im Mittelpunkt der Debatte im Repräsentantenhaus stand vor allem die rassistische Urteilspraxis. Während Schwarze unter der Gesamtbevölkerung der USA zwölf Prozent ausmachen, sitzt in den Todestrakten jedoch fast in jeder zweiten Zelle ein Insasse mit schwarzer Hautfarbe. Noch letztes Jahr hatte das Repräsentantenhaus mit knapper Mehrheit beschlossen, daß Todesurteile anfechtbar sein sollen, wenn aufgrund von Statistiken der jeweiligen örtlichen Gerichtsbarkeit Rassendiskriminierung nachgewiesen werden kann. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Wahlkampfs, bei dem die Debatte um die Todesstrafe einen ähnlich ideologischen Stellenwert hat wie in der BRD die Asyldiskussion, hoben die Abgeordneten diesen Beschluß nun wieder auf. Angenommen wurde stattdessen ein Vorschlag des Republikaners Bill McCollum aus Florida, der bestenfalls kosmetischen Charakter hat: Die Geschworenen sollen künftig eidlich versichern, daß bei einem von ihnen gefällten Todesurteil wegen Mordes die Hautfarbe des oder der Beschuldigten keine Rolle gespielt habe. Tatsächlich aber haben Studien längst bewiesen, daß bei der Verhängung der Todesstrafe die Hautfarbe des Opfers eine ebenso große Rolle spielt wie die des Angeklagten. Wer einen Weißen umgebracht hat, muß in den USA weitaus eher mit einem Todesurteil rechnen als jemand, der des Mordes an einem Schwarzen für schuldig befunden wird. anb
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