: Kein Gerücht: 1. Bremer Theatertag
■ Karin Oeljeklaus, Organisatorin des 1. Bremer Fachtags „Schultheater und Utopie“ im taz-Gespräch
„Das Gerücht“, eine Grafik von A. P. Weber, soll als roter Faden durch den Theatertag führen, verwirren, verbinden
taz: Was wird beim ersten Fachtag Schultheater in Bremen eigentlich gespielt?
Karin Oeljeklaus: Der Titel „Schultheater und Utopie — Versuch eines respektlosen Aufbruchs“ soll provozieren: Macht doch nicht immer so brave Geschichten, bei denen jeder artig klatscht und niemand berührt nach Hause geht! Ich möchte gegen das 'Übliche' arbeiten. Des
Zeichnung
Schlange
halb habe ich 'respektlose' Referenten eingeladen. Sie zeigen ihre Methoden des Herangehens an einem gemeinsamen Thema: „Das Gerücht“. Kresnik vom Tanztheater her, Jörg Holtenbrink über Sprache, Astrid Müller arbeitet mit Materialien im Raum.
Wie lange gibt es das Schulfach Theater in Bremen, wieviele Kurse gibt es an Bremer Schulen?
Das Fach gibt's in Bremen seit
1987 in der Oberstufe als Wahlpflichtfach. Zur Zeit laufen in Bremen 12 Theater-Wahlpflichtkurse, als Fach mit Theorie und Praxis, in dem es auch Noten gibt.
Wie kann man sich denn Theater als Schulfach und die Benotung vorstellen?
Die Theorie kann nur reflektiert werden über das Machen. Klausuren spielen deshalb eine geringe Rolle. Die Benotung soll so gehandhabt werden wie im guten Sportunterricht. Sie müssen Motivation vermitteln können. Keine Fünfen und Sechsen, höchstens 'ne Vier, wenn einer immer fehlt. Viele Schüler sind heute schon verkorkst, ob Körper oder Stimme. Da orientiert sich die Bewertung nach der individuellen Entwicklung. Das erfordert Toleranz. Es geht ja um kleine Formen, die theatralisches Können notwendig machen, aber nicht um die große Rolle. Jeder soll und kann motiviert werden.
Die Collage ist eine Möglichkeit, diese unterschiedlichen Fähigkeiten der SchülerInnen zusammenzubauen. Theaterspielen gibt Gelegenheit, sich mal anders kennenzulernen.
Wie wird man in Bremen Theaterpädagoge?
Ich bilde hier keine Theaterpädagogen, sondern Lehrer für das Fach Theater im Grundkurs für die Sekundarstufe II, aus. Am Anfang ist das Spieltraining. Sprache, Körper, die Sinne, die Wahrnehmung entdecken. Das Zweite ist das Improvisationstraining. Erst die psychologische Seite des Spielens erfassen, später Rollenarbeit. Dann die verschiedenen Genres: Wie gehe ich mit Märchen um, wie mit Slapstick, wie mit Dramen, wie mit dem epischen Theater? Als nächstes üben wir den kreativen Blick, Themen liegen auf der Straße.
Mixen Sie nicht eine Menge verschiedener Theatertheorien völlig durcheinander?
Wir gucken, welche Methode verbirgt sich eigentlich hinter den großen Namen. Die Strasberg- Methode arbeitet mit dem emotionalen Gedächtnis, das jeder Mensch hat. Es ist Training, ob einer auf der Bühne lachen oder weinen kann. Von Grotowski können wir das Körperalphabet verwenden. Radikales armes Theater ist aber für uns undenkbar, wir können nicht Leute nächtelang in Keller sperren, um Gefühle zu entwickeln. Mit dem Stanislawski-Training üben wir das naturalistische Spiel. Die Frage ist, wo und wie kann ich eine Methode für meine Zwecke adaptieren. Das muß man ausprobieren.
Was ist der Gewinn für die SchülerInnen?
Spaß zu haben, aber auch die Ernsthaftigkeit des Theaters zu erkennen: die Dialektik von Spaß und Ernst, Gesetzmäßigkeit im Rahmen von Regeln, was kann ich im Rahmen dieser Regeln an kreativen Potenzen entwickeln. Ein Lehrer muß alles zulassen. Wer einmal Blut leckt, der merkt für sich selbst: Ich kann besser sprechen, einem Menschen anders begegnen, Ängste abbauen. Im Training ist alles erlaubt. In der Rolle kann man Dinge erleben, die in der Erziehung verboten werden.
Sich also vom inneren Aufpasser zu befreien?
Ja. Jeder Mensch hat diese dunklen Seiten, sei es im Hinblick auf Liebe oder Gewalt. Was beim Probieren sichtbar wird, kann man auch besprechen. Wesentlich ist, nicht immer zuzudecken und zu beschönigen.
Fragen: Juan
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