Tiefpunkt auf der Richter-Skala

■ Doch, doch: Ilja Richters Staatsoperette hatte eine urkomische Szene!

Man kann den Menschen das Zweifeln, geschweige denn das Plaudern, einfach nicht verbieten. Auch nicht durch Sprachregelungen in vorgesehene Formen gießen. Da war doch letzte Woche die Premiere der „Staatsoperettte“, erfunden und inszeniert vom Fernseh-Spaßmacher Ilja Richter, lapidar zuerst um 4 Tage verschoben, dann ganz vom Spielplan gestrichen worden. Sprachregelung: „Verschoben auf Mai 92“.

Wie ein Mann und wie aus einem Munde hatten sich Intendant T. und Regisseur I. Richter hingestellt und beteuert: Technische Gründe! Riesengroßes Einvernehmen! Terminprobleme! Nichts Ungewöhnliches! Wunderbare, höfliche, faire Zusammenarbeit!

Aus einem schwachen Stück eine lebendige, aber zeitkritische, aber leichte Revue zu zaubern, ist ziemlich schwierig. Auch wenn Ilja R. ist nicht mehr der Bravo-Starschnitt, der Spaßvogel ist, auch wenn er schauspielen kann und Witz hat. Wenn man nicht auf ihn aufpaßt, dann wird er so leicht albern! Und aufgepaßt hatte keiner.

Es gab Warnsignale. Die SchauspielerInnen des Jugendclubs, die es lieber kritisch als albern mögen, sollten ursprünglich spielen und winkten dankend ab. Bloß nicht auf die große Bühne! Vielleicht mal für eine schwarze Nacht im Brauhauskeller aufführen, will die Dramaturgie gleich anfangs gewarnt haben. Vergeblich. I. Richter durfte drauf auf den Regiestuhl und bekam T. Richters persönlichen Assistenten zur Seite. Aus dem banalen Stückchen wurde aber kein Stück. Die schwache Vorlage musikalisch, dramaturgisch zur Revue aufzumotzen, mißlang. Die Stimmung bei der Produktion war Spitze, aber ein Zusammenhang war in dem lustig-nachdenklich gemeinten Gemischtwarenladen aus Mauerfall- und Raf-Szenen, incl. 3. Reich, Hoyerswerda, Drogen, Stasi, Schizo, angestrengt mit Bremer Anspielungen zusammengerührt, für SchauspielerInnen und Publikum nicht auszumachen, Gags nur mit Ansagen zu erkennen. Haarscharf vor der Premiere wurden die flachsten Plattitüden herausgenommen, vergeblich. Das Stück war aber doch schon vor Oktober auf Papier zu lesen, Proben durchaus anzugucken!

Aber halt! Eine wunderbare, urkomische Szene gab es. Bloß die war unfreiwillig. Bei der ersten öffentlichen und pannenreichen Voraufführung kamen auch die Herrschaften ins Theater, die ihren Ilja vom Fernsehen her doch so mochten — und waren vom Donner gerührt. Die bis zum Schluß blieben, rührten kaum eine Hand, gingen. Da fielen Groschen.

Ende gut: Jetzt kommt ersatz- und wunderbarerweise „Cosi fan tutte“ auf den Plan. Und: Mai 92, das wird im Theater mit „nie“ übersetzt. Rosi Roland