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Neues Parteiengezänk um Asylrecht

■ Rühe wirft SPD Verleumdungskampagne vor/ SPD und Grüne warnen vor zunehmender Ausländerfeindlichkeit/ Länder gaben Stellungnahmen zum Asylkompromiß ab

Bonn (afp/ap/dpa/taz) — Während sich im Innenministerium eine Arbeitsgruppe daran macht, eine Liste von Gesetzgebungsmaßnahmen zu erstellen, tobt der Parteienstreit um das Asylrecht unvermindert weiter. CDU-Generalsekretär Volker Rühe warf gestern der SPD vor, durch eine „beispiellose und bewußt verzerrende Kampagne“ die CDU auf eine Stufe mit rechtsextremen Gewalttätern zu stellen. Die SPD arbeite mit „verleumderischen Unterstellungen“. Rühe verwies auf eine SPD- Wahlwerbung in Baden-Württemberg, in der der Union nach der „Steuerlüge“ auch eine „Asyllüge“ vorgeworfen werde. Gleichzeitig spielten die Sozialdemokraten Aussiedler und Asylbewerber gegeneinander aus, kritisierte Rühe die Änderungspläne des Staatsangehörigkeitsrechts in der SPD.

Die meisten Bundesländer gaben unterdessen die von Bundesinnenminister Schäuble (CDU) bis Freitag erbetenen schriftlichen Stellungnahmen zur vereinbarten Beschleunigung der Asylverfahren ab. Alle Länder hätten sich grundsätzlich bereit erklärt, die Vereinbarungen des Parteiengesprächs umzusetzen, wurde im Innenministerium erklärt.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Gerhart Baum sprach sich dafür aus, zu klären, „wer eigentlich Deutscher ist“. Wie viele SPD-Politiker schloß er eine Änderung des entsprechenden Grundgesetz-Artikels 116 nicht aus. Der Zuzug von Aussiedlern nach Deutschland müsse „berechenbar“ werden; die Bundesrepublik sei de facto bereits seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Die CSU warf dem Koalitionspartner FDP daraufhin vor, in der Asyldebatte einen neuen „Nebenkriegsschauplatz“ eröffnen zu wollen. „Die Asylfrage und die Frage der deutschen Staatsangehörigkeit dürfe nicht über einen Kamm geschert werden“, erklärte der Geschäftsführer der Bonner CSU-Landesgruppe, Rudolf Kraus. Auch der Justitiar der CDU/CSU-Fraktion, Franz Möller, lehnte eine Änderung des Artikels 116 kategorisch ab.

Rühe erklärte, mittlerweile seien auch immer mehr SPD-Politiker in den Städten und Kreisen für eine Änderung des Asylrechts. Die SPD- Spitze „verweigere“ sich einer solchen Grundgesetzänderung, weil sie bestehende und künftige Bündnisse mit den Grünen nicht gefährden wolle. Der CDU-Generalsekretär bezeichnete es als „böswillige Verdrehung von Ursache und Wirkung“, wenn die SPD den Eindruck erwecke, die CDU habe die Gewalttätigkeiten gegen Ausländer provoziert. SPD-Sprecherin Cornelie Sonntag hielt dagegen, in der Partei gebe es kein „Abbröckeln“ am Nein zu einer Grundgesetzänderung. Die CDU/CSU wolle der Bevölkerung mit ihrer „Asyllüge“ einreden, daß ein solcher Schritt das Patentrezept gegen den Zuzug weiterer Asylbewerber sei. Auch die FDP trage diese Position nicht mit, so daß die CDU/ CSU von einer Mehrheit für eine Grundgesetzänderung weit entfernt sei. „Deshalb läuft Volker Rühe Amok“, erklärte Sonntag.

Bundesinnenminister Schäuble versicherte erneut, die Regierung werde keine fremdenfeindlichen Aktionen von rechtsextremistischen und neonazistischen Schlägertrupps dulden. Gerade die Polizei in den neuen Ländern stehe in ihrer gegenwärtigen Aufbauphase allerdings vor großen Problemen, räumte der Innenminister vor Bundesgrenzschützern ein. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse warnte vor wachsender Ausländerfeindlichkeit. Der Bonner Koalition warf er vor, die Ängste der Menschen vor materiellen und sozialen Verlusten parteipolitisch instrumentalisieren zu wollen. In Ostdeutschland herrsche derzeit eine „Atmosphäre irrsinniger Entäuschung“. Ein von den Grünen organisiertes Aktionsbündnis forderte ebenfalls, die Diskriminierung von Ausländern zu beenden. Die Wahrnehmung von Grundrechten dürfe nicht länger von der Nationalität abhängig gemacht werden, sagte Grünen-Geschäftsführerin Heide Rühle. Die Debatte über die Einschränkung des Asylrechts müsse sofort beendet werden.

Sachsen werde eine Grundgesetzänderung unterstützen, falls der Mißbrauch des Asylrechts nicht verhindert werden könne, kündigte Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) an. Eine Vermischung der Themen Ausländerfeindlichkeit und Aslyrecht sei „grundsätzlich verfehlt“. Das Hauptproblem werde nicht die Asylgewährung, sondern die europäische Binnenwanderung sein, der niemand durch eine noch so restriktive Asylpolitik begegnen könne, so Biedenkopf. Sachsen werde sich für eine Erweiterung der Asyldebatte um „Einwanderungsfragen“ einsetzen.

Einer Flüchtlingswelle in Europa kann nach Auffassung der Generalsekretärin des Europarates, Catherine Lumiere, nur mit einer gemeinsamen Politik begegnet werden. Alle Staaten seien sich bewußt, daß eine isolierte Politik nicht lebensfähig sei, betonte Lumiere in Bonn. Dazu sei es notwendig, daß sich die Aufnahmestaaten mit den Ursprungsländern abstimmen. Besonders die Entwicklung in der Sowjetunion sei heute noch nicht abzuschätzen. Die Russland-Deutschen haben gestern vor einer Million neuer Aussiedlungswilliger gewarnt.

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