piwik no script img

Benecke-Stiftung: gesamte Spitze weg

Finanzskandal um Benecke-Stiftung: Generalsekretär Beitz geht, Vorstandsvorsitzender Cronenberg legt Amt nieder, Vorständler Grellert suspendiert — Bundestagspräsidentin Süßmuth unter Druck  ■ Von Gerd Nowakowski

Kreidebleich verließ Wolfgang Beitz nach fast vierstündiger Vorstandssitzung den Saal. Der Generalsekretär der Otto-Benecke-Stiftung (OBS) wird zum Jahresende ausscheiden, hatte zuvor der Vorstand beschlossen. Auch das bisherige Vorstandsmitglied und einstiger OBS-Mitgründer, Volker Grellert, wurde von seinem Posten „suspendiert“. Damit zog der OBS-Vorstand die Konsequenz aus der Serie von taz-Enthüllungen über den merkwürdigen Umgang mit jährlich rund 230 Millionen Mark öffentlicher Gelder, die die Stiftung gegenwärtig erhält.

Der Vorstandsvorsitzende der Otto-Benecke-Stiftung, der Bundestagsvizepräsident Julius-Dieter Cronenberg (FDP), tritt ebenfalls ab, um seine Haut zu retten. Schließlich sorgte Cronenberg noch im April trotz Kenntnis der Unregelmäßigkeiten für eine Vorstandsentlastung des Generalsekretärs. Volker Grellert, der als graue Eminenz der Stiftung galt, hatte bereits vor zehn Tagen wegen „groben vereinsschädigenden Verhaltens“ seinen Posten als Vorstandsvorsitzender der OBS-Gründung „Gesellschaft für berufsspezifische Ausbildung“ (GFBA) verloren. Grellert hatte nach taz-Informationen für seine ehrenamtliche Tätigkeit bei der GFBA über eine Beraterfirma allein in diesem Jahr weit über eine halbe Million Mark in Rechnung gestellt. Wegen dieser Vorgänge ist auch der Grellert-Vertraute und GFBA-Geschäftsführer Hansen „vorläufig beurlaubt“.

Die Benecke-Stiftung reicht jährlich rund 130 Millionen Mark an die GFBA weiter, ohne daß der Rechnungshof bislang den ordnungsgemäßen Umgang mit diesen Geldern überprüfen konnte. Generalsekretär Beitz und Vorständler Grellert, die die OBS seit ihrer Gründung im Jahre 1969 fest im Griff haben, waren teilweise auch an einem umfangreichen und undurchsichtigen Geflecht von Unternehmen beteiligt, die wiederum Geschäfte mit der GFBA machten. Auch der Münchener Oberfinanzpräsident Kraus, der als Doppel-Vorständler bei OBS und GFBA tätig ist, muß einen Posten aufgeben.

Für gläserne Taschen bei der OBS und der GFBA soll nun gesorgt werden. Das ist das Ergebnis eines innerministeriellen Treffens unter Führung des Bundesfinanzministeriums am Donnerstag. Schließlich waren die alarmierenden Berichte des Bundesrechnungshofes über eine Vielzahl von Verfehlungen, Verstößen gegen das Haushaltsrecht und verschleierten Finanzmanipulationen der OBS zugunsten der GFBA lange vom Bundesministerium für Frauen und Jugend ignoriert worden. Aus diesem Ressort bezieht die Otto-Benecke-Stiftung rund 180 Millionen Mark. Für Rückendeckung der OBS sorgte fast zwanzig Jahre lang der Grellert-Freund und Referatsleiter im Ministerium, Horst Juncker. Dieser saß zugleich im OBS-Vorstand.

Im neuen Rahmenvertrag des Ministeriums mit der Benecke-Stiftung wird auf Veranlassung des Finanzministeriums und des Bundesrechnungshofs verlangt, daß die Geldausgabe bei der GFBA künftig durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen durchleuchtet wird. Die GFBA selber darf künftig keine Gelder, die sie von der OBS erhält, an Dritte weitergeben.

Weiter unter Druck gerät die Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, die jahrelang dem Bundesministerium vorstand, aus dem die OBS ihren Löwenanteil bezieht. OBS-Generalsekretär Beitz unterhält seit Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Frau Süßmuth. Ihr Ehemann wurde von der Benecke-Stiftung bemerkenswert umworben. Der Geschichtsdidaktiker, der mit den satzungsgemäßen Zielen einer Eingliederung und Ausbildung von Aussiedlern und Flüchtlingen nichts zu tun hat, bekam teure Seminare finanziert und konnte auf OBS-Kosten als Herausgeber von drei Büchern auftreten. Mit mehr als 600.000 Mark als Anschubfinanzierung ermöglichte die OBS die Gründung eines „Instituts für internationale Kommunikation“ in Düsseldorf, bei der Professor Süßmuth als Vorständler tätig ist. Von Beitz und Grellert ließ sich Süßmuth auch als Vorständler einer „Gesellschaft zur Förderung deutsch-sowjetischer Wirtschaftsbeziehungen“ einspannen.

In der CDU hat diese intensive Kontaktpflege bereits zu deutlicher Kritik an der Bundestagspräsidentin Süßmuth geführt. Auch das CSU- nahe 'Deutschland-Magazin‘ hat die Vorwürfe gegen Frau Süßmuth aufgegriffen. Unvergessen ist in der Union der illegale Dienstwagengebrauch durch Herrn Süßmuth. Offenbar ist auch dem Bundeskanzler die erneute Affäre um die Bundestagspräsidentin nicht unlieb. Seine neue Favoritin, die Ministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel (CDU), läßt sich jeden Tag von der Entwicklung in der Otto-Benecke- Stiftung informieren. Dem Bemühen ihrer Vorgängerin Süßmuth um einen „Persilschein“ für ihre damalige Amtstätigkeit hat sie sich entzogen. Der Rechnungshof verlangt immer noch eine Erklärung, warum ein Beamter des Süßmuth-Hauses 1986 notiert hat, der OBS-Generalsekretär Beitz „fühlt sich auch gegenüber dem Ministerium so sicher, daß er weiterhin macht, was er will.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen