: Pattsituation bei der PDS
■ PDS-Parteitag fällt keine Entscheidung über Parteistrategie/ Patt zwischen Reformern und Traditionalisten/ Nur noch 34.000 Mitglieder/ SED-Kulturzensor bald Landesgeschäftsführer?
Berlin. Der Berliner PDS ist es auf ihrem Landesparteitag am Wochenende nicht gelungen, sich auf eine Strategie für ihre künftige Arbeit zu verständigen. Bei einer Trendabstimmung am Sonntag nachmittag fanden weder »Reformer« noch »Traditionalisten« eine Mehrheit für ihre Anträge.
Bei 26 Enthaltungen stimmten 92 Delegierte für das stark von den Reformern beeinflußte Papier »Wider Reichs-Metropolen-Konzepte«. Ein Gegenantrag der Strömung um den ehemaligen Parteichef Wolfram Adolphi und die Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch fand die Zustimmung von 94 Delegierten. Wegen dieser Pattsituation wurde der Landesvorstand beauftragt, ein Kompromißpapier zu erarbeiten, das dem nächsten Parteitag vorgelegt werden soll.
Für den gestrigen Abend war auch die Wahl eines Nachfolgers für den im August wegen seiner Stasi-Tätigkeit zurückgetretenen Parteichef Adolphi angesetzt. Der stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende Andre Brie, der als einziger Kandidat zur Wahl stand, bemühte sich in einer Rede vor den Delegierten um eine vermittelnde Position. Die außerparlamentarische Arbeit müsse »eindeutige Priorität« haben, gestand Brie den Reformern zu. Sie müsse jedoch mit einer »wirksamen Parlamentsarbeit« verbunden werden. Eine Politik, die sich »ausschließlich auf Minderheiten orientiert«, wäre »falsch«, warnte Brie. Die PDS müsse sich auch »um konkrete neue Mehrheiten« bemühen. Der Politiker rief seine Partei auf, sich von der »sich verselbständigen Selbstbeschäftigung« zu lösen und sich den Problemen »der Menschen« zuzuwenden.
Während die Wahl von Brie gestern nachmittag als sicher galt, wurde am Rande des Parteitages Kritik an der Kandidatur des ehemaligen SED-Kulturfunktionärs Klaus Wiezorek für das Amt des Landesgeschäftsführers laut. Wiezorek war von 1985 bis 1990 stellvertretender Abteilungsleiter für Kultur in der Berliner SED-Bezirksleitung. »Als ein Zahnrädchen« war er 1988 nach eigenen Angaben mitbeteiligt, als die DDR-Führung den sowjetischen Film »Die Kommissarin« aus den Kinos nehmen ließ. Er habe diese Entscheidung jedoch nur »weitergeleitet« und sich ansonsten als »Partner« der Berliner Schriftsteller und Unterhaltungskünstler gesehen, sagte Wiezorek zur taz. Mit dem Ausschluß mehrerer Schriftsteller, darunter von Stefan Heym, aus dem Ostberliner Schriftstellerverband im Jahr 1979 habe er nichts zu tun gehabt, da er erst 1985 sein Amt angetreten habe. Er habe im nachhinein zwar »Zweifel gehabt«, ob der Ausschluß »nötig« gewesen sei, jedoch auch »Verständnis für die Leute« um Herrmann Kant gehabt, die diesen Schritt durchgesetzt hatten.
Den Delegierten lagen am Wochenende auch Zahlen über die Mitgliederentwicklung vor. Danach hat die PDS seit Jahresbeginn etwa 7.000 Mitglieder verloren und zählt in Berlin jetzt noch 34.621 Mitglieder. Darunter haben 434 ihren Wohnsitz im Westteil der Stadt. Nach einer jetzt veröffentlichten Erhebung unter den Parteimitgliedern braucht ein großer Teil der Genossen die Partei vor allem »als Heimat und als Gemeinschaft« angesichts einer »feindlich gewordenen Umwelt«. Nahezu die Hälfte der Mitglieder sei »wenig oder gar nicht aktiv«. Mit »programmatisch-politischen Motiven« begründe nur eine kleine Minderheit von etwa 15 Prozent ihre Parteizugehörigkeit. Häufiger genannt würden »der Kontakt mit Gleichgesinnten« und »individuelle Verbundenheit und Treue« zu der SED- Nachfolgepartei. hmt
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