: Zwei Ausländer lebensgefährlich verletzt
■ Gewalt gegen Ausländer in Berlin schon fast an der Tagesordnung/ Nach einem Vietnamesen wurde jetzt ein Türke von jungen Deutschen halb totgeprügelt/ Mutmaßliche Täter in beiden Fällen gefaßt
Berlin (taz) — Binnen weniger Wochen ist in Berlin jetzt zum zweiten Mal ein ausländischer Mitbürger Opfer blindwütiger Gewalt von Deutschen geworden. Der 19jährige türkische Schüler Mete E. wurde am vergangenen Sonntag in der Westberliner City von Deutschen mit einem Baseballschläger derartig auf den Kopf geprügelt, daß er mehrere Brüche und Hirnblutungen davontrug. Gestern mittag schwebte er immer noch in Lebensgefahr.
Auch der 27jährige Vietnamese Bai V., der vor zwei Wochen von drei jugendlichen Skinheads im Ostberliner Bezirk Hellersdorf mit Stiefeltritten gegen den Kopf traktiert wurde, befand sich tagelang in einem lebensbedrohlichen Zustand. Seit vergangenem Freitag geht es ihm immerhin so weit besser, daß er für kurze Zeit ansprechbar ist. Die mutmaßlichen Täter wurden in beiden Fällen gefaßt.
Über das, was sich am Sonntag auf dem Adenauerplatz in der City ereignet hatte, herrscht nach Angaben der Polizei noch völlige Unklarheit. Fest stehe nur, daß die 16, 21 und 23 Jahre alten deutschen Brüder Michael, Martin und Markus S. mit einer Gruppe von fünf Türken aneinandergeraten seien, hieß es. Bei der polizeilichen Vernehmung hätten sich beide Gruppen wechselseitig bezichtigt, mit dem Streit angefangen zu haben. Die Ermittlungen hätten ferner ergeben, daß der Baseballschläger von einem Türken aus dessen Auto geholt worden sei. Einer der Deutschen habe den Schläger in seine Gewalt gebracht und damit auf Mete E. eingeprügelt.
Erkenntnisse für ein ausländerfeindliches Tatmotiv gebe es nicht. Auch über eine etwaige Zugehörigkeit der Brüder zu den Skinheads oder anderen rechten Gruppierungen sei nichts bekannt, erklärte ein Polizeisprecher.
Der jährige Ercan K., der Sonntag nacht mit Mete unterwegs war, berichtet der taz das Gegenteil. Für ihn handelten die Deutschen „ganz klar aus Ausländerfeindlichkeit“. Ercan zufolge standen er und seine Freunde vor einem Café und unterhielten sich. Die drei Deutschen hätten sich ihnen genähert, die türkische Sprache nachgeäfft und dann eine Schlägerei begonnen. Woher der Baseballschläger gekommen sei, wisse er nicht, sagte Ercan. Nach ihren Haaren zu urteilen, seien die Deutschen keine Skinheads, aber sie hätten Bomberjacken und Armeekleidung getragen.
Freunde von Mete E. und der Türkische Elternverein zogen am Sonntag zu einer Kundgebung vor das Krankenhaus, in dem die Ärzte bei einer Operation um das Leben des Schülers kämpften. Auf Flugblättern forderten sie die Verantwortlichen auf, der Gewalt sichtbar entgegenzutreten: „Der Fremdenhaß nimmt von Tag zu Tag zu, es geht uns alle an.“
Nach dem Überfall auf den 27jährigen Vietnamesen Bai V. hatten 700 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit demonstriert. Doch außer der Berliner Ausländerbeauftragten Barabara John ließ sich kein Regierungsmitglied blicken.
Die drei Jugendlichen, die Bai V. vor zwei Wochen in Hellersdorf zusammenschlugen, sollen Skinheads sein. Sie prügelten auf den Mann am hellichten Tag auf einer belebten Straße in der Nähe eines Marktes ein, auf dem Vietnamesen unverzollte Zigaretten verkaufen. Die Polizei ermittelte, daß Bai V. ein Stuhlbein bei sich hatte, durch das eine Schraube gebohrt war. Angeblich soll er auf dem Markt als Bodyguard für die Zigarettenverkäufer tätig gewesen sein. Plutonia Plarre
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