VOM ANIMISMUS ZUR ANIMATION UND ZURÜCK Von Dr.Erdling

Rupert Sheldrake's neues Buch wird vielleicht ebensoviel kritischen Widerstand herausfordern wie seine vorausgegangenen Werke Das schöpferische Universum und Das Gedächtnis der Natur. Seine kontroverse Theorie der ,formbildenden Ursachen‘ — die Hypothese, daß selbst-organisierende Systeme (lebende und nichtlebende) innerhalb eines Resonanzfeldes operieren, das das ganze Universum umfaßt — scheint wie dazu geschaffen, die Meinungsführer der orthodoxen Wissenschaft aus dem Häuschen zu bringen. Während seine früheren Bücher akribisch argumentierende Frontalangriffe waren, ist sein Vorgehen diesmal anders. Wie in der martialen Kunst des Jiu-Jitsu sucht Sheldrake seine Opponenten niederzuwerfen, indem er sich mit der Energie ihrer Bewegung verbindet. In Die Wiedergeburt der Natur beschreibt er, wie die Mainstream-Wissenschaft nach ihrer Zerstörung der animistischen Naturbetrachtung dazu überging, jedes Element ihres eigenen mechanistisch- reduktionistischen Paradigmas in Frage zu stellen, einschließlich ihres Konzepts der Wirklichkeit selbst. Und was ist letztlich geblieben, um die Welt- Maschine daraus zusammenzusetzen? Die atomaren Elemente haben sich längst aufgelöst, in Wellen, Schwingungen oder ,Strukturen von Aktivität‘.“

Soviel aus einer Rezension von Theodore Roszak im 'New Scientist‘, Sheldrakes neues Buch ist jetzt auf deutsch erschienen (Schertz- Verlag) und zeigt sehr gut, wie die Wissenschaft bei ihrem Vordringen ins immer Kleinere beim ganz Großen angelangt ist: statt bei den Präzisions-Zahnrädern einer Weltmaschine bei einem ganzheitlichen, lebendigen, selbst- organisierenden Universum. Der alte Animismus, die Vorstellung einer beseelten, lebendigen Natur, zeigt Sheldrake, hat längst schon wieder Einzug gehalten: „Die Natur wird wieder lebendig in der wissenschaftlichen Theorie.“ Selbst da, wo es, wie bei dem Neo-Darwinisten Richard Dawking, noch in der alten Uhrmachermanier zugeht, hat sich die „Welt-Seele“ heimlich schon längst wieder eingeschlichen: „Zwar behaupten die meisten Biologen immer noch, Mechanisten zu sein, aber letzlich ist das Paradigma der modernen Biologie doch eine ziemlich kryptische Form des Vitalismus, in dem die organisierenden Vitalfaktoren einfach anders genannt werden, zum Beispiel „genetisches Programm“ oder „egoistisches Gen“.

Vom Animismus zur Animation und wieder zurück — so könnte man den Weg der Wissenschaft beschreiben, wobei zurück natürlich nicht heißt, daß der Animismus in seiner steinzeitlichen Urgestalt heute wieder angesagt sei. Das Zeitalter der Animation aber, der marionettenartigen Einzelteile, aus denen die Wissenschaftler im akademischen Schnürboden die Weltmaschine zusammensetzen und tanzen lassen, ist vorbei. Für die allwissende szientifische Betonkopf-Fraktion mag der Name Sheldrake nach wie vor ein rotes Tuch sein, für neugierige Skeptiker ist er mit diesem Buch wichtiger denn je: er stellt die richtigen Fragen.