: Wer wird Vogels Karren ziehen?
Kampfabstimmung um den SPD-Fraktionsvorsitz zu erwarten/ Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Dreßler bewerben sich um den Posten/ Weitere Bewerbungen nicht ausgeschlossen ■ Aus Bonn Christiane Bruns
Wenn sich niemand als Nachfolger in für ein freiwerdendes Spitzenamt bei der SPD aufdrängt, dann finden sich gleich zwei für eine Kandidatur. Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Dreßler erklärten gestern vor der SPD-Fraktion ihre Bewerbung für den Fraktionsvorsitz, den Hans-Jochen Vogel nach über achtjähriger Amtszeit räumen will. Einstimmig einigte sich die Fraktion auf das Verfahren. Am 12. November soll gewählt werden. Der oder die neue Fraktionsvorsitzende der SPD wird also vor Schäuble gekürt, der am 26. November Unionsfraktionschef wird. Wer aber wird gewählt? SPD- Traditionalist Dreßler hat die klassischen Sozialpolitiker hinter sich und seine Hausmacht in Nordrhein- Westfalen. Ein geschlossener Block ist diese mit über über sechzig Abgeordneten große Gruppe aber schon längst nicht mehr. Däubler-Gmelin, in ihrem Landesverband Baden- Württemberg nur schwach verankert, steht für die modernere SPD, erfreut sich aber in dieser Strömung nicht ungebrochener Sympathie.
Auch wenn Dreßler die schlechteren Chancen hat — der Ausgang dieser Wahl ist offen. Nach der Kampfkandidatur um den Posten der Bundestagspräsidentin, den Renate Schmidt knapp und unerwartet vor Anke Fuchs gewann, und dem Duell zwischen Gansel und Voigt könnte die Fraktion auch diesmal für eine Überraschung gut sein. Das Verfahren räumt denn auch gleich die Möglichkeit weiterer Kandidaturen ein. Weil die Fraktion von den beiden BewerberInnen noch nicht restlos überzeugt ist, können sich bis zum 7. November weitere melden. Die Fünfer- Kommission, der Hans-Jochen Vogel vorsitzt, wird moderieren und aussichtslose Kandidaturen abbiegen. Daß ihre Mitglieder für den Fraktionsvorsitz nicht in Frage kommen, entzieht mancher Kandidatenspekulation den Boden. Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck und die stellvertretende Bundestagspräsidentin Renate Schmidt fallen damit als Kandidaten aus.
Die SPD-Bundestagsfraktion löst sich mit dem heute vereinbarten Verfahren erneut von vorgefertigten Entscheidungen. Diesmal wird der Fraktionsvorstand keine Wahlempfehlung aussprechen. Wenn in der Personalentscheidung für den Fraktionsvorsitz ein Fingerzeig auf den nächsten Kanzlerkandidaten der SPD liegen sollte, dann sieht es für Lafontaine schlecht aus. Zwischen Dreßler und Lafontaine liegen inhaltliche Gräben; mit Herta Däubler- Gmelin versteht er sich nicht.
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