piwik no script img

Gral und Qual

■ Neues im Kino

Terry Williams König der Fischer ist ein New-York-Porträt mit Mythen und Typen, Wahn und Poesie. Ein Linksblech plappernder Moderator (Jeff Bridges) richtet mit seiner Zunge ein Blutbad an. Opfer des Redemeisters ist die Frau eines Uniprofs (Robin Williams), der daraufhin irre wird und zum »Don Quichote der Obdachlosen« mutiert, besessen von König Artus, Pinocchio, der Suche nach dem Gral und dem rächenden Fisherking . Wer den Gral hat — hat keine Qual mehr. Der Film holt die Mythen auf die Straße, macht den Witz zum bitteren Ernst, und jeglichen Ernst lächerlich — bis die Liebe kommt. Der König der Fischer folgt keiner Logik — nur die Liebe bleibt: als variabler Fixpunkt im Chaos. Ein Wundermärchen.

Ein Wintermärchen hätte Percy Adlon mit Salmonberries drehen können, wäre er nur nicht so verklemmt. Zwei Frauen (K.D. Lang und Rosl Zech), eine Liebe und die Kälte Alaskas, bzw. Berlins. Die Geschichte holpert, die Kamera wackelt, Dialoge poltern, die Schauspielerinnen wissen nicht, wie sie fühlen sollen — oder dürfen. Die kanadische Sängerin K.D. Lang hat ein Gesicht, das für sich mehr Geschichten erzählt, und wahrhaftigere als das Drehbuch sie stammeln läßt, in böser Synchronisation mit einer üblen Stimme,die wohl lesbisch klingen soll. Rosl Zech, die Bibliothekarin aus dem kalten Osten im frostigen Alaska, strahlt eine so unglaublich schöne und ruppige Wärme aus, die das Gefühl schmelzen lassen könnte, wenn Percy Adlon es nur zuließe.

Der Dekalog-Filmer Kieslowski hat ein anderes Problem mit Die zwei Leben der Veronika: Er hat eine nette Idee und viele hübsche Symbole, wenn auch oft ohne Sinn. Aber das reicht nicht für einen ganzen Film. Zwei Frauen haben das gleiche Gesicht — und beide tragen den gleichen Schal.

Weronika lebt in Polen. Veronika in Paris. Ohne sich wirklich zu kennen, ist das kurze Leben der beiden Frauen auf geheimnisvolle Weise verwoben. Und wie in Percy Adlons Salmonberries sind es auch in Die zwei Leben der Veronika die Gesichter der Frauen, die dem Film bei aller banalen Mystik das Stück Leben und Kraft verleihen, das dem Drehbuch fehlt.

Drei Frauen — zwei Schauspielerinen und ihre Regisseurin Vera Chytilova haben 1966 einen hemmungslos albernen, banalen und witzig-klugen Film gedreht: Tausendschönchen. Einmal Parasit sein, Formen sprengen, Gaga sein und Dada drehen. Tausendschönchen ist ein Bilderflutmärchen, das gnadenlos Spaß macht.

Noch ein Film von einer Frau — über Männer, die ab und zu Frauen sind, ist Paris is Burning von Jennie Livingston. Besprechung folgt morgen. reve

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen