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Grün, nicht Schwarzweiß — was zählt, ist die Farbe des Geldes

■ Der New Yorker Kolumnistin MARCIA PALLY zufolge ist für den Filmemacher Spike Lee nicht die Rassenfrage die Hauptsache — was zählt, sind die Dollars

Spike Lees Jungle Fever hat nicht die Rassenintegration zum Thema, auch wenn seine romantische, zwischen den Rassen spielende Handlung den Gedanken nahelegt. Wie Romeo und Julia und West Side Story nimmt Jungle Fever unglücklich Liebende zum Anlaß, um die Macht willkürlicher Grenzen — nach Rassen oder Clans — bloßzulegen. Aber die Integration erscheint in diesem Film nicht als Lösung. Umgekehrt lehnt er sie auch nicht ab; er nimmt den Gedanken einfach nicht ernst. Das tut auch sonst niemand in den USA — nicht weil die Integration gescheitert wäre, sondern weil sie niemals ernsthaft versucht wurde.

Nach 400 Jahren der Klassen- und Rassenteilung konnten Mentalität und soziale Institutionen des weißen Amerika die Integration als Strategie nicht akzeptieren, jedenfalls nicht in dem Tempo, das sich die meisten Schwarzen erhoffen, die eine Veränderung schließlich noch selbst miterleben wollen. Als Stanley Kramer 1967 Guess Who's Coming to Dinner drehte, ein Film für Assimilation und Integration, waren diese Ideen bereits so gut wie tot. Heute wirkt Integration so altmodisch und unbequem wie ein Korsett.

Im Leben und auf der Leinwand beschäftigt sich das weiße Amerika, wenn es sich denn mit dem Rassenproblem überhaupt auseinandersetzt, vor allem mit Drogen und Gewalt (Schwarz gegen Weiß). Keine Gruppe träumt von Gemeinsamkeit: Die Weißen sowieso nicht, und die Afro-Amerikaner wollen noch zu Lebzeiten ein Stück vom Kuchen abkriegen. Sie wissen, daß Luxus und Einfluß nichts mit der Hautfarbe zu tun haben, sondern mit der Farbe des Geldes. Nicht Schwarz oder Weiß ist ausschlaggebend, sondern das Grün des Dollarscheins. Je mehr sie davon haben, desto seltener sind sie der Gewalt von Drogen und Banden ausgesetzt; und desto weniger bedroht sie auch die Gewalt des weißen Establishment (der Mord an Yousef Hawkins in Bensonhurst und das Zusammenschlagen von Rodney King durch die Polizei von Los Angeles sind nur die bekanntesten Beispiele).

Das schlägt sich nieder in den Arbeiten der „neuen Welle schwarzer Filmemacher“, wie die US-Presse sie kollektiv nennt — in der Polizeibrutalität und den Unruhen von Lees Do the Right Thing, in den Bandenkämpfen von John Singletons Boyz N the Hood, und in den Crack-Häusern von Mario van Peebles New Jack City und Lees Jungle Fever.

Von Zeit zu Zeit beschäftigen sich Filme der neuen schwarzen Welle nicht nur mit schwarz-weißen Spannungen, sondern auch mit den Vorurteilen unter Amerikas neueren Immigranten. Man denke nur an das Hin und Her rassischer Epithetons in Do the Right Thing oder an den Austausch rassischer Grundüberzeugungen in House Party II. (Wer Mitteleuropa inzwischen für einen ethnischen Zoo hält, sollte sich einmal in den koreanisch-puertoricanisch- kambodschanisch-afghanisch-kubanisch-japanisch-haitianisch-dominikanisch -kolumbianischen Vierteln von Queens umsehen.)

Aber der Ausweg aus diesem Gewirr gegenseitiger Abneigung und Verachtung liegt selten in der Anbiederung an die Weißen, sondern im ökonomischen Aufstieg. Nur New Jack City mit seinem Team aus weißen, schwarzen und asiatischen Polizisten behandelt die Vorteile der Rassenmischung. Sein eigentliches Thema ist jedoch der Drogenhandel als selbstmörderischer Weg zum Reichtum. Um den ökonomischen Aufstieg geht es auch in den nicht ganz so offen politischen Filmen der neuen schwarzen Welle — wie die schöne, völlig kaputte Erzählung von Charles Lanes, Sidewalk Stories, die Geschichte von Aufstieg und Fall in Detroit in Robert Townsends The Five Heartbeats (die auch von Drogen handelt) und die auf Kasse gedrehten Komödien A Rage in Harlem, House Party, der Anschlußfilm House Party II und schließlich alle Filme von Eddie Murphy. House Party II, ein herrlich lebendiger und farbiger Film, betont mit komischer Ironie die Bedeutung der Ausbildung gegenüber dem riskanten schnellen Dollar der Unterhaltungswelt.

Während die neue schwarze Welle Filme über die Rassenschranken von Geld und Macht hervorbringt, haben ihre Macher das Rezept gefunden, sich beides zu besorgen — und sei es über Filme, die vom Fehlen beider handeln. In diesem Jahr kommen mehr Produktionen schwarzer Filmemacher in die Kinos als in den letzten zehn Jahren zusammen. Das sind 19 von annähernd 400 Filmen: fünf Prozent der Jahresproduktion. (Die Afro-Amerikaner bilden zwölf Prozent der Bevölkerung und 23 Prozent des Kinopublikums.) New Jack City kostete 8,5 Millionen Dollar und spielte über 44 Millionen ein — für Warner Brothers der zweithöchste Umsatz des Jahres. Boyz N the Hood wurde für 6 Millionen hergestellt; schon das erste Wochenende brachte über 10 Mio. Dollar. Im Gegensatz zu den 70er Jahren, als die Talente der Schwarzen ausgebeutet wurden und die finanzielle und kreative Kontrolle in weißen Händen blieb, verschaffen diese Zahlen den schwarzen Filmemachern beträchtlichen Einfluß auf ihre Arbeit. Warrington Hudlin (House Party, außerdem der Leiter der Stiftung der schwarzen Filmemacher) sagte gegenüber dem Magazin 'People‘: „Zum ersten Mal liegen die Rechte und Kontrollen auf der schöpferischen Ebene in unseren Händen.“

Es versetzte daher nicht wenige schwarze Filmemacher in Erregung, als Columbia und Warners drohten, Kinos aus dem Vertrieb von Boyz und New Jack herauszunehmen. Bei den Eröffnungsvorstellungen war es vor einigen Kinos zu Unruhen gekommen, und die Studiobosse glaubten, die Filme seien dafür verantwortlich. Andere, darunter auch die 'Los Angeles Times‘, vertraten die Meinung, die Studios hätten andere auslösende Faktoren für die schwarze Wut außer acht gelassen — zum Beispiel, daß Rodney King in Los Angeles von der Polizei zusammengeschlagen wurde und daß das Video dazu jeden Abend in den Nachrichten zu sehen war. Außerdem hatten die Kinobesitzer zuviel Karten verkauft, so daß Hunderte von Leuten mit Tickets draußen bleiben mußten. Die 'LA Times‘ schrieb: „Vielleicht hatten die Unruhen mehr mit dem Video zu tun als mit dem Film, den sie nicht gesehen hatten.“

Van Peebles, Lee, Singleton und ein paar andere taten sich zur „Schadensbegrenzung“ (Van Peebles) zusammen — vielleicht zeigt sich die Bedeutung der neuen schwarzen Welle am meisten in der Tatsache, daß sie Erfolg hatten. Zur Zeit sind diese meist sehr jungen Filmemacher die Sensation des Jahres. Sollte ihr Erfolg anhalten, werden sie auf das modische Gruppenetikett verzichten können, eigene Stile entwickeln und durchsetzen. Für einen Filmemacher ist das nicht ein Stück vom Kuchen, sondern die Torte komplett.

Jungle Fever endet mit der Aussage, die „Neugier auf Weiß“ sei eine nutzlose Ablenkung von den ökonomischen und den Drogenproblemen der Schwarzen. Der Protagonist in Fever (Wesley Snipes als Flipper) wird während des ganzen Films — trotz offensichtlichen Talents — den Aufstieg in seiner Architekten-Firma nicht schaffen; sein Bruder (Samuel L. Jackson) hängt am Crack. Das, will Lee uns offenbar mitteilen, sind die Hauptsachen, die behandelt werden müßten — neben anderen Fragen wie den Beziehungen zwischen schwarzen Männern und Frauen. Lee hat einen Film über die Nebensachen gedreht. Weil er — vielleicht zu Recht — glaubt, Romanzen zwischen verschiedenen Rassen hätten nichts mit Amerikas Rassenfrage zu tun, beschäftigt er sich nicht mit der Kompliziertheit von Sex und Liebe. Die Affaire zwischen Flipper und Angie konnte das amerikanische Publikum nicht fesseln. Und auch den Film über das, was er für wichtiger hält als das Zusammenleben von Rassen, hat er nicht zustande gebracht. Auf dem Grenzzaun balancierend, hat er sich selbst in den Fuß geschossen. Aus dem Amerikanischen

von Meino Büning

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