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Bundesregierung: Wozu die Aufregung?

■ Das Bundesverteidigungsministerium legitimiert die Waffenlieferungen mit dem Argument der „wehrtechnischen Zusammenarbeit“/ Die SPD fordert den Rücktritt von Stoltenberg und Stavenhagen

Eigentlich ist gar nichts passiert. Eigentlich ist niemand verantwortlich. Eigentlich ist drum die ganze Aufregung zumindest reichlich übertrieben. So stellten gestern in einer aktuellen Stunde des Bundestages die Politiker der Koalitionsfraktionen den neuesten Skandal der Regierung Kohl dar. Zum Beispiel Willi Wimmer, christdemokratischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Zum Kern seiner Rechtfertigungsrede lieferte er folgendes Argument: Es habe sich bei der beabsichtigten Lieferung von Waffen an Israel nicht um einen Waffenexport in ein Krisengebiet gehandelt, sondern um eine zwischen Israel und der Bundesrepublik gängige Form der wehrtechnischen Zusammenarbeit. Seit Jahren stellten beide Länder sich wechselseitig Waffen zu Prüfzwecken zur Verfügung. Und schon immer sei der Bundesnachrichtendienst in diesen Fällen „Ansprechpartner“ gewesen. Ihn einzuschalten entspreche dem gängigen Verfahren. Zwar gestand auch Wimmer ein, daß „Fehler“ gemacht worden seien.

Was er und sein Ministerium unter „Fehlern“ verstehen, sagte er freilich nicht. Genausowenig führte der Verteidigungsstaatssekretär aus, wie sein Dienstherr Stoltenberg die von Wimmer angekündigte „praktische Durchführung und politische Kontrolle der wehrtechnischen Ausfuhr verschärft“ sehen will. Sich keiner Schuld bewußt gab sich gestern im Bonner Plenarsaal auch einer der Hauptakteure der jüngsten BND-Affäre: Lutz Stavenhagen, als Staatsminister verantwortlich für die Koordination der Geheimdienste, hob ebenfalls besonders darauf ab, daß es bei der ganzen Sache nicht um Waffenexport, sondern „um wehrtechnische Zusammenarbeit mit einem Land geht, das uns ebenfalls bisher sehr viele Waffen geliefert hat“. Daß der Bundesnachrichtendienst versucht hatte, diese Waffen konspirativ in den Nahen Osten zu liefern, bezeichnete Kohls Mann für die Geheimdienste ebenfalls als Fehler — ebenfalls ohne zu sagen, wer diesen Fehler gemacht hat und wie es dazu kommen konnte, daß ihn jemand — angeblich — ohne Stavenhagens Wissen machen konnte.

Nach dieser Rechtfertigung konnte Stavenhagen es freilich bei ganz allgemeinen Ankündigungen belassen: die Bundesregierung sage eine „offene und umfängliche Aufklärung“ zu, danach werde man „in aller Ruhe“ Schlüsse ziehen. Schon kündige er an, daß man sich für eine stärkere politische Kontrolle der entscheidenden Stellen einsetzen werde... Lediglich der Verteidigungsexperte Wilz von der Union kündigte vorsichtig „dienstrechtliche Konsequenzen“ an.

Auffallend zahm ging der freidemokratische Koalitionspartner gestern während der Bundestagssitzung mit den Verantwortlichen aus Verteidigungministerium, Kanzleramt und Bundesnachrichtendienst ins Gericht. Noch am Dienstag hatte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Burkhard Hirsch, harte Worte für den handfesten Skandal gefunden, hatte gar von dem bösen Vedacht gesprochen, daß mit den betreffenden Waffen möglicherweise die Miliz im Südlibanon verstärkt werden sollte. Tags drauf nahm er alles Vermutete zurück. Er kritisierte zwar, daß das Kriegswaffenkontrollgesetz, der Bundessicherheitsrat und die politische Leitung von BND, Kanzleramt und Verteidigungsministerium umgangen worden seien. Greifbare Konsequenzen, etwa einen Untersuchungsausschuß, deutete er als Möglichkeit jedoch nur vage an. Und für den ganzen Vorfall fand er kaum schärfere als diese Worte: Er sei „geeignet“, das Ansehen der Bundesrepublik zu „berühren“. Wesentlich deutlicher wurde natürlich die Opposition. So verurteilte etwa Norbert Gansel, außen- und sicherheitspolitischer Sprecher der SPD, den Skandal als „Waffenschmuggel im Staatsauftrag“. Nur ein Zyniker habe auf die Idee kommen können, die Lieferung als landwirtschaftliche Geräte zu deklarieren. Entscheidend sei in diesem Fall, daß Stoltenberg und Stavenhagen keine Kontrolle über solche Vorgänge hätten. Er forderte, die politischen Verantwortlichen müßten gehen. Wen Gansel in diesem Zusammenhang natürlich nicht erwähnte: BND-Chef und Sozialdemokrat Porzner. Ferdos Forudastan, Bonn

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