: Kluges Kopf-Kino im Fernsehen
Alexander-Kluge-Retrospektive startet heute bei 3sat um 23.10 Uhr ■ Von Sabine Jaspers
Filme, wie die von Alexander Kluge, sind oft schneller aus dem Kino heraus, als man gucken kann. Jetzt ist die Zeit für die Fernsehapparat-Besitzenden gekommen, die drei Jahrzehnte Klugescher Filmgeschichte verpaßt haben oder wichtige Kunststücke wiedersehen möchten: Acht Spielfilme und eine Dokumentation des Regisseurs, Autors, Filmtheoretikers und Filmpolitikers Kluge umfaßt eine Werkschau, die ab heute bei dem der Kultur verpflichteten 3sat- Sender zu betrachten ist.
„Opas Kino ist tot“, verkündeten junge Filmemacher auf den Oberhausener Kurzfilmtagen im Jahre 1962, um auf die traurige Lage der westdeutschen Filmindustrie zu antworten. Alexander Kluge war einer der Verfechter der Thesen des entstehenden „Neuen deutschen Films“. Abschied von gestern lautet der programmatische Titel seines Spielfilmdebüts im Jahre 1966, das den Auftakt der Reihe bildet. Wie auch in manch anderem Kluge-Werk spielt darin seine Schwester Alexandra eine Hauptrolle.
Worum es in dem Film geht? Eine Frage, die schwer zu beantworten ist. Kluge-Kino ist „anders“ als das gewöhnliche Erzählkino, Kluge- Kino entsteht im Kopf seiner Zuschauer. „Der Film“, sagt der Kopfgeburtshelfer, „stellt sich im Kopf des Zuschauers zusammen, und er ist nicht ein Kunstwerk, das auf der Leinwand für sich lebt.“ Ein Prinzip, das so gut funktioniert, daß bei der Uraufführung der Patriotin das ratlose Publikum zunächst nicht bemerkte, daß der Vorführer die Rollen vertauscht hatte.
In den Bilder-Collagen seiner Kinolyrik verwebt Kluge fiktive und dokumentarische Materialien zu einem Filmgespinst. Er spielt mit dem Anspruch der Authentizität. Kluges Realitätsvorstellung richtet sich darauf, die „Realität als die geschichtliche Fiktion, die sie ist, auch darzustellen“.
Schon seit Jahren hat Kluge die Kinoleinwand mit der Fernsehmattscheibe vertauscht, 1986 drehte er unter dem Titel Vermischte Nachrichten sein letztes Kinowerk. Das Motto der TV-Zukunft heißt „Kluge auf allen Kanälen“. Ist doch der 59jährige Filmedenker nicht nur bei RTLplus mit seinen 10 vor 11-Minuten vertreten, sondern mischt auch beim „Westschienenkanal“ kräftig mit (vgl. Beitrag zum Thema auf dieser Seite).
Kluge-Termine bei 3sat ab heute, jeweils Freitags: Abschied von gestern (1966), 23.10 Uhr, In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod (1974), 22.55 Uhr, Der starke Ferdinand (1976), 22.50 Uhr, Die Patriotin (1979), 22.55 Uhr, Die Macht der Gefühle (1983), 22.50 Uhr, Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit (1985), 22.40 Uhr, Vermischte Nachrichten (1986), 22.50 Uhr, Die letzten Tage der Krise , 22.55 Uhr.
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