: Ausländerfreunde sind sich spinnefeind
■ Kein Kompromiß im Streit um Demonstrationen/ Am 9. 11. zwei getrennte Demos gegen Ausländerhaß/ Nur Jusos und Gysi unterschreiben alles
Berlin. Die Chancen, daß es am 9. November doch noch zu einer gemeinsamen Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit kommen wird, stehen schlecht. Seit Donnerstag kursieren, wie berichtet, Aufrufe für zwei getrennte Demonstrationen gegen Ausländerfeindlichkeit, die beide am 9. November stattfinden sollen. Unter dem Slogan »gegen Gewalt und Fremdenhaß« ruft einerseits ein von den Grünen und der Berliner SPD unterstütztes bundesweites Bündnis zu einer Demonstration vom Breitscheidplatz zum Lustgarten auf. Seit Donnerstag mobilisiert andererseits ein von der PDS, dem Neuen Forum, Friedensgruppen und dem autonomen Spektrum unterstütztes »Bündnis 9. November« mit einem Konkurrenzaufruf für einen eigenständigen Sternmarsch zum Monbijoupark. Die aus Ärger über grüne Dominanzbestrebungen initiierte Konkurrenzdemonstration wendet sich »gegen Rassismus und Fremdenhaß«.
Der Haß in den eigenen Reihen schwelt unterdessen weiter. Die Gruppe SOS Rassismus, die den Bruch mit den Grünen ursprünglich unterstützt hatte, versuchte gestern, den Schaden zu begrenzen. »Eine gespaltene Demonstration können wir uns überhaupt nicht leisten«, beteuerte SOS-Mitarbeiter Götz Schwarzrock. Seine Gruppe schlage deshalb vor, eine gemeinsame Abschlußkundgebung im Lustgarten zu veranstalten. Dort sollten auch die von den Grünen nominierten deutschen Redner sprechen dürfen.
Unterstützung für diese Idee kam gestern jedoch lediglich vom PDS- Landesvorstand. Andere Vertreter des Bündnisses 9. November wollten sich zu dem Kompromißvorschlag nicht äußern. Skepsis äußerte auf der Gegenseite auch der AL/Grüne-Mitarbeiter Jürgen Strohmaier. Die von den Grünen initiierte Demonstration werde seit vier Wochen vorbereitet, ihr Ablauf könne nicht ohne weiteres geändert werden. Die Grünen hätten bereits einen Kompromiß vorgeschlagen. Danach sollten auf der Abschlußkundgebung sechs ausländische und zwei deutsche Redner auftreten. Dies sei von den Kritikern abgelehnt worden.
Der AL gehe es um ein »möglichst breites Bündnis«, das bei »schönem Wetter« 50.000 Menschen mobilisieren könne, betonte Strohmaier: »Wir können nicht immer nur streiten.« Vertreter des konkurrierenden Aufrufs behaupteten dagegen, die Grünen hätten »das Bündnis verlassen«. Sie hätten auf den Vorbereitungstreffen ihr fertiges Konzept vorgelegt und »kein Diskussionsangebot« gemacht, klagte Bernd Florath vom Neuen Forum. Überdies, so Sanchita Basu von der Gruppe Nozizwe, hätten die Grünen in der Asyldebatte nicht eindeutig Stellung bezogen.
In der linken und linksliberalen Szene der Stadt sorgten die Querelen gestern für beträchtlichen Ärger. Der Streit sei »erbärmlich«, schimpfte der ausländerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhardt Barthel. Einige Gruppen, darunter die »Autonome iranische Frauenbewegung«, beschwerten sich, sie seien fälschlich als Unterstützer des Bündnisses 9. November genannt worden. Regelrechte Purzelbäume schlug die IG Medien. Ihr Vorstandsmitglied Andreas Köhn trat noch am Vormittag als Mitunterstützer des Bündnis 9. November auf, zog jedoch am Nachmittag die Unterstützung der IG Medien zurück. Mit zwei getrennten Demonstrationen, so die von Köhn am Nachmittag neu gewonnene Erkenntnis, werde das Ziel eines breiten Bündnisses »nicht mehr erfüllt«.
Einige — darunter die Berliner Jusos, die Redaktion des 'Freitag‘ und der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi — zogen sich aus der Affäre, indem sie einfach beide Aufrufe unterschrieben. Das sei nichts Ungewöhnliches, meinte PDS-Fraktionssprecher Jürgen Schäfer: »Wenn ich einen Aufruf gegen Ausländerfeindlichkeit sehe, dann unterschreibe ich den natürlich.« hmt
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