: VON BARCELONA ÜBER WIEN NACH ROSTOCK
■ Drei Bücher, drei Einschätzungen: Reisebücher der Reihe APA Guide
Drei Bücher, drei Einschätzungen: Reisebücher der Reihe APA Guide
„Barcelona: nach Lage und Bauart einzig schöne Stadt, Sitz der Höflichkeit, Asyl für den Fremden, Spital der Armen und Heimat der Tapferen, wo alle Beleidigungen ihre Rache und treue Freundschaftsdienste herzliche Erwiderung finden.“ So lobhudelte schon Miguel de Cervantes in seinem „Don Quijote“. Nun hat die katalanische Metropole endlich, nach so vielen Jahrhunderten, die Belohnung für ihre Höflichkeit, Herzlichkeit und Rachsucht bekommen: die Olympischen Sommerspiele 1992. Grund genug für etliche Verlage, den Markt mit Reisebüchern, Stadtporträts und Touristenführern zu überschwemmen. Einer davon ist der City Guide Barcelona von APA, aus dem das Cervantes-Zitat stammt.
Vom Spital der Armen kann heutzutage keine Rede mehr sein, ein bißchen Kleingeld ist schon vonnöten, um mit der „gewachsenen Lebensqualität“ in der Olympiastadt finanziell mithalten zu können. Ist dafür gesorgt, kann der APA Guide durchaus eine wertvolle Hilfe sein im kulturellen, kulinarischen und architektonischen Dickicht Barcelonas.
Mehr als ein Pfund wiegt das Buch, ein gehöriger Teil dieses imposanten Gewichtes geht allerdings auf das Konto der — exzellenten — Fotos. Ein ausführlicher historischer Teil leitet über zu den „Menschen von Barcelona“; Kapitel über die „Sagrada Familia“, das ewig unvollendete Kirchenmonstrum des Antoni Gaudí oder den FC Barcelona, die fußballerische Inkarnation Kataloniens, fehlen ebensowenig wie ein Exkurs zur katalanischen Sprache. Hinzu kommen ausführliche Porträts der wichtigsten Stadtviertel, wobei allerdings Kleinode wie das lebhafte, verwinkelte Grácia ausgespart bleiben — sicherlich im Sinne der dort ansässigen Bevölkerung.
Insgesamt bietet der City Guide dem flüchtigen Olympia- und Anti- Olympia-Touristen einen recht brauchbaren und lebendigen Überblick über die Stadt, ihre hervorstechenden Eigenheiten und ihre Sehenswürdigkeiten. Dabei halten die Autoren auch mit kritischen Bemerkungen keineswegs hinter dem Berg. So heißt es im Kapitel „Barcelona heute“ über die nacholympische Zukunft der „Heimat der Tapferen“: „Sanierungsmaßnahmen dürften zu einem Chaos geführt haben, aber es wird auch mehr Parks und Grünanlagen geben ... Arme und Obdachlose werden arm und obdachlos bleiben. Es wird mehr Autos und mehr Lärm geben, und die Einkünfte werden kaum reichen, um sich eine vernünftige Wohnung leisten zu können.“ Gelobt sei Olympia!Matti Lieske
„Vergessen Sie kein, aber auch gar kein Klischee, das Sie über uns Österreicher gehört haben. Sie stimmen alle.“ Diesen etwas dubiosen Rat gibt der APA Guide Österreich seinen Benutzerinnen und Benutzern auf den Weg. Und das Schlimmste daran ist: Er beherzigt ihn selber peinlich genau. In der Tat wird aber auch gar kein Klischee ausgelassen, das über Österreich im Umlauf sein mag. Vor allem in der Kitschanfälligkeit des Sprachgebrauchs teilt sich dies mit. Ein Beispiel für viele, die Rede ist von Voralberg. Wie geht es dort zu? „Draußen pfeift der Wind durch die hölzernen Schindeln, drinnen wärmt der mächtige Herd die Stube, sitzen Wirt und Gäste einträchtig am kobigen Tisch unterm Herrgottswinkel.“ Und so weiter. Auch aus den anderen österreichischen Bundesländern weiß der APA Guide ähnlich Heimeliges zu berichten.
Nun mag es durchaus sein, daß das blitzsauber-gemütliche Image, das so verbreitet wird, auch vielen Österreichern gefällt. Für mich aber ist ein Buch, in dem Ausdrücke wie „zünftige Jause“ und „frisch gezapftes Bier, serviert mit einer ordentlichen Portion Mutterwitz“ die Regel sind, eigentlich dadurch schon erledigt. Es kommt aber noch schlimmer: Nicht nur schnulzig, sondern auch mißverständlich wird hier formuliert. So wird etwa dem Kaiser Franz Joseph, der immerhin 86 Jahre alt wurde, ein „frühzeitiger Tod“ nachgesagt, womit man allerdings wohl mitteilen wollte, daß er früh genug starb, um das Ende seiner k.u.k.- Monarchie nicht mehr erleben zu müssen. Und offensichtliche Fehler tauchen auch auf: Den Maler Kupelwieser sollte man nicht mit doppeltem p schreiben, und Ödön von Horváth hätte Anspruch auf einen Akzent über dem a. Und wenn man den tschechischen Erfinder des „braven Soldaten Schwejk“ partout zu einem Repräsentanten der österreichischen Literatur machen muß, dann sollte man mindestens wissen, daß er nicht Hajek heißt, sondern Hašek. All dies und manches mehr trägt dazu bei, daß dieser einen unguten Eindruck hinterläßt.Hermann Schlösser
„Was fällt einem beim Süden Deutschlands ein? Dirndl und Lederhosen? BMW und Mercedes? Der Schwarzwald und das Waldsterben? All das wird Ihnen begegnen: gepflegte Tradition und hochentwickelte Moderne.“ Ein Zitat aus dem APA Guide Das neue Deutschland, das das Konzept dieses Reiseführers umreißt: Man hangelt sich am Klischee entlang, um dieses dann mit einigen tiefergehenden Darstellungen und Einschätzungen, wie etwa dem Waldsterben, zu relativieren. So wird der Erwartungshaltung des schlichtesten Touristen aus Ohio, der ja nun mal mit Bilder zu romantic Germany anreist, ebenso entsprochen, wie dem kritischeren Blick des schwäbischen Studienrats, der nun endlich mal nach Dresden, dem Elb- Florenz will. Diese Gratwanderung zwischen Anspruch und Klischee, zwischen Beethovens deutschem Geist, Vater Rhein und der bitteren Realität in Bitterfeld legt der APA Guide mühelos zurück. Übrigens auch bei der Bildauswahl: Das blonde deutsche Mädel auf dem Titelbild, die bierschwenkende Bayerin, die Lederhosenmänner, das größte Weinfaß der Welt und die romantischen Stadt- und Landschaftsansichten bestimmen zwar im wesentlichen das Outfit, daneben findet man aber auch, vor allem zu den fünf neuen Bundesländern, unverbrauchte, schöne Alltags-Einstellungen.
Natürlich bleiben bei dieser Gratwanderung Ausflüge in die Geistes- und Kulturgeschichte nur Streifzüge, doch diese sind zugegebenermaßen informativ. Ausführungen über die deutschen Markenzeichen Steffi Graf und Boris Becker oder den bayerischen Märchenkönig LudwigII. gönnen dem Leser allerdings kaum eine Atempause bei dieser hastigen Entdeckungsreise durch Deutschland. Herausgekommen ist so ein durchaus traditioneller Reiseführer zu Gesamtdeutschland — vom Geschichtsabriß über die Routenbeschreibung bis hin zu Verkehrs-Unterkunft- und Literaturtips im Anhang —, der jedoch mit der Darstellung der aktuellen Geschichte zur Wiedervereinigung und Details aus der kleinbürgerlichen deutsch-deutschen Alltagswelt besticht. Ein Verdienst der Autoren und nicht der Konzeption, die zwischen romantic Germany für den Europatrip des US- Amerikaners und intellektuellem Anspruch unentschieden hin und herpendelt. Pflichtbewußt wurde auch der Trend zum sanften Reisen im Anhang aufgenommen. Wirklich ärgerlich sind die ganzseitigen Werbeanzeigen im Buch, beim Exkurs Köln beispielsweise für Kölnisch Wasser, die allerdings den Vorteil haben, daß dieses Buch wesentlich günstiger als die anderen Führer der Reihe erstanden werden kann.
Edith Kresta
APA Guide Barcelona, 1991
APA Guide Österreich, 1991
APA Guide Deutschland,1991
erschienen im RV Reise- und Verkehrsverlag
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