REISEN IM NEBEL DER MYSTIK

■ Eine Buchreihe beschäftigt sich mit einer ganz anderen Form des Reisens: "Magisch" reisen - und zu sich selbst finden

Eine Buchreihe beschäftigt sich mit einer ganz anderen Form des Reisens: „Magisch“ reisen — und zu sich selbst finden

VONPETRADUBILSKI

Reisen ist nicht nur eine Sache der Fortbewegung, sondern auch eine der Imagination. Jeder Ort, den man besucht, hat seine eigene Magie, sei diese historisch, religiös oder auch einfach nur atmosphärisch. Reisende der heutigen Zeit werden jedoch kaum noch die Muße haben, sich auf das stimmungsvoll Magische der besuchten Orte einzulassen. Und selbst wenn, vieles an Wissen aus vergangenen Tagen über die Besonderheiten von Plätzen und Gebäuden ist entweder verlorengegangen oder nicht jederzeit abrufbar.

Der Fernsehjournalist und Propagandist einer „spirituellen Lebensweise“, Wulfing von Rohr, hat es sich folgerichtig zur Aufgabe gemacht, im Goldmann Verlag eine ganz neue Reihe herauszugeben: Magisch Reisen. Die Idee ist sicherlich hervorragend, füllt sie doch nicht nur eine Lücke auf dem engen Reisebuchmarkt, sondern kann auch unter Umständen eine Bereicherung für das Verständnis eines Landes bieten. Unter Umständen, das heißt, daß Sagen, Legenden und Mythologie eines Landes tatsächlich sprachlich dicht und anschaulich dargestellt werden, daß ein Eintauchen in eine andere, ferne Gedankenwelt allein durch das Lesen schmackhaft gemacht wird. Diese Umstände sind in der besagten Buchreihe nur bedingt erfüllt.

Zum Beispiel Magisch Reisen Deutschland. Was gäbe es nicht alles zu erzählen an merkwürdiger und spannender Mythologie, von dem besonderen Zauber mancher Orte und auch von dem Mißbrauch, der damit gerade im deutschen Sprachraum getrieben wurde, um eine Ideologie der Überlegenheit zu begründen. Der Autor David Luczyn beschränkt sich jedoch darauf, die Besonderheit von Plätzen esoterisch- geomantisch zu interpretieren. Erdstrahlen, über deren Herkunft und Theorie ganze Kapitel berichten, machen demnach einen Platz zum heiligen Ort. Möglicherweise ließe sich auch mit diesem Ansatz vieles über die beschriebenen Plätze — vom Tannhäuser über den Brocken bis zu den Externsteinen — berichten, doch beschränkt sich der Autor darauf, seine eigenen „merkwürdigen Gefühle“, die ihn an diesem Ort befallen, zu beschreiben („Auf mich übte der Lindenhain einen beruhigenden, friedlichen und harmonisierenden Einfluß aus, dessen Zauber ich mich nicht entziehen konnte...“)

Die persönlichen Empfindungen des Autors animieren selbst den geneigtesten Leser nicht, sich der Atmosphäre eines Ortes hinzugeben. Die ohnehin problematische Ich- Form gestattet zwar einen tiefen Einblick in die psychische Befindlichkeit des Erzählers, läßt aber neugierige Reisende, die das Buch gekauft haben, um etwas über das Land zu erfahren, im Regen stehen. Der Autor über seinen Eindruck am Brocken: „Da standen wir nun in einer völlig surrealistischen Mondlandschaft... und verstanden gar nichts mehr.“ Den Lesern wird es mit diesem Buch nicht anders gehen.

Ein Lichtblick ist hingegen Magisch Reisen Spanien. Hier hat sich der Autor Louis Charpentier auf ein klassisches Gebiet beschränkt: auf die Wallfahrt nach Compostela, den Jakobsweg. Mit Humor und geistreicher Souveränität erzählt er nicht nur die Jakobslegende, sondern erläutert auch Begriffe und Namen, ihre etymologische Bedeutung, und stellt sie in den realen und mythologischen Zusammenhang, der notwendig ist, um die Geschichte des Jakobsweges zu verstehen. Die Wegbeschreibungen in einzelnen, nachvollziehbaren Etappen vermitteln in der Tat etwas von dem Zauber und den Legenden dieser alten Straße. Wohltuend auch, daß zwangsläufige moderne Errungenschaften, wie Imbißbuden, Hotels oder Tankstellen, in der Beschreibung keinen Platz finden, folglich auch nicht als störend dargestellt werden. Deren Präsenz ist für Reisende ohnehin sichtbar und in herkömmlichen Reisebüchern sicherlich besser beschrieben.

Um „magisch“ zu reisen, braucht es Phantasie, die Fähigkeit zur Imagination. Beides versteht der Autor hervorragend anzuregen. Anzumerken ist noch, daß dieser Band eine übersetzte Lizenzausgabe eines Buches ist, das bereits 1971 in Paris erschien.

Als Vergleich zum Spanien- Buch, wenn auch nur in bezug auf eine Geschichte, bietet sich der Band Magisch Reisen Frankreich an. Der Jakobsweg, der auch in Teilen durch Frankreich führt, wird hier ebenfalls beschrieben, wenn auch nur in Kurzform. An die inhaltliche und sprachliche Kompetenz des Spanien-Autors reichen die Frankreich-Autoren Gilbert Altenbach und Boune Legrais jedoch nicht heran. Zu ihrer Entschuldigung sei jedoch angemerkt, daß sie statt nur eines bestimmten Teils ganze Regionen Frankreichs auf „magische Weise“ zu erkunden versucht haben. Leider geht es auch hier wieder um die bereits erwähnten Erdstrahlen, die einen Ort zum besonderen machen. Häufig auftauchende Lieblingsmetapher der Autoren sind dann auch „die Kräfte aus Kosmos und Erde“. Auf eine Beschreibung „klassisch-magischer“ Orte wird nach Bekunden der Autoren dann verzichtet, wenn die „Kräfte der Erdschlange“ hier schon lange verschwunden sind. Schade eigentlich, denn auch Orte, die längst zu übervölkerten Touristenzentren oder gar Industrieorten geworden sind, haben ihre eigene Geschichte und Mythologie, die es wert ist, nicht dem Vergessen anheimzufallen. Jenseits der esoterischen Anschauung scheinen die beiden Autoren aber auch durchaus den ganz irdisch-sinnlichen Genüssen, wie zum Beispiel dem Wein, offen gegenüberzustehen, bei einem Frankreich-Buch auch kein Wunder. Eigentlich kein schlechtes Zeichen. Enttäuscht wird dieser Eindruck jedoch dadurch, daß in einem Kapitel über Burgund dem Weingenuß nicht sinnlich-geistige, sondern esoterisch-geistliche Eigenschaften zugesprochen werden. Jene oft zitierte magische Energie gebe dem Wein erst eine „magische Aura“: „Zwischen den Weinkennern und dem wunderbaren Getränk stellt sich eine tiefe Verbindung her.“ Die Weintrinker wissen's auch ohne Kosmos zu bestätigen. Erfreulich hingegen sind die nacherzählten Legenden, die mehr über den Ort berichten als alle kosmischen Kräfte zusammen.

Ein Wort noch zur Bebilderung der Bücher: Die im Mittelteil kompakt zusammengestellten Farbfotos scheinen mehr von Stimmungen inspiriert zu sein denn von tatsächlichen Orten. Womit nichts gegen stimmungsvolle Bilder gesagt sein soll. Aber zu viel dräuende Himmel, Blümchen am Wegesrand und Wasseridyllen mit Sonnenuntergang vermitteln wenig von der besonderen Magie des betreffenden Landes. Dergleichen kann ebensogut beim Spaziergang im Stadtpark oder am Wannsee geknipst worden sein. Womit wiederum nichts gegen die Magie dieser Orte gesagt sein soll.

Reihe Magisch Reisen ; David Luczyn: Deutschland; Louis Charpentier: Spanien; Gilbert Altenbach, Boune Legrais: Frankreich; Herausgeber der Reihe: Wulfing von Rohr, Goldmann Verlag, München 1991; alle Bände jeweils 19,80DM